SWR1 Begegnungen

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24DEZ2023
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Benno Fürmann Foto: Pascal Bünning

Christopher Hoffmann trifft den Schauspieler Benno Fürmann.

Ob als Bergsteiger in „Nordwand“, als Boxer Bubi Scholz oder zuletzt in der Serie „Babylon Berlin“ – es sind vor allem harte Typen, die der vielfach prämierte Schauspieler mimt. Ich erlebe ihn während unserer Begegnung hingegen als sensiblen und spirituellen Menschen:

Ich lasse die Weichheit, die immer schon in mir war, immer mehr zu. Verbindung mit Menschen ist mir wichtiger denn je und diese Egozentrik-Nummer macht mir viel weniger Spaß, das hat mir früher vielleicht auch nicht so viel Spaß gemacht. Und ich hab viel zu viel Freude am gemeinsamen Sein, an wirklicher Verbindung mit mir und mit der Welt.

Der 51-Jährige, mit der unverwechselbar markanten und tiefen Stimme, gibt mir auch tiefgründige Antworten. Denn er hat schon in seiner Kindheit viel erlebt, mehr als ein Kind normalerweise tragen kann: Mit 7 Jahren stirbt Benno Fürmanns Mutter, mit 15 sein Vater, mit 19 auch alle Großeltern. Mit 21 geht er auf die Schauspielschule nach New York. Was ihm heute hilft: sich selbst und das Leben annehmen:

Dafür musst du „Ja“ sagen- du hast ja eh keine Chance als das anzunehmen, was gerade ist- Ob dir die Platte gefällt oder nicht – Gott ist der DJ. 

Benno Fürmann nennt in seinem Buch „Unter Bäumen“ ein Kapitel, das mich sehr berührt, „Ja zum Leben“. Darin schreibt er: „Das Gefühl, dass Gott die falsche Platte aufgelegt hat, zu der ich nun tanzen muss, kenne ich nur zu gut. Doch auch in der Finsternis liegt das Leben, will gelebt werden. Der Soundtrack unseres Lebens spielt mal in Dur und mal in Moll. Getanzt wird immer.“* Benno Fürmann glaubt an einen Schöpfer, der ihm Kraft gibt, obwohl er im Elternhaus überhaupt nicht religiös sozialisiert wurde:

Ich bin nicht getauft, ich spüre in mir aber eine tiefe Verbindung zu etwas, was anwesend ist, was über mich hinausgeht, was ich suche. Ich bin unheimlich vorsichtig mit Worten, weil ich keine Lust habe etwas zu zerreden, was nie ein Objekt des Verstandes sein kann, was man wahrscheinlich nur erfahren kann.

Bilder von Gott sind immer nur vorläufig, Worte reichen nie um die wahre Tiefe zu beschreiben, findet Benno Fürmann. Und doch hat er Wege gefunden, seinen Schöpfer auch im Alltag zu erahnen – wenn er in die Natur geht und…

…mir hilft dabei meine tägliche Meditation mich zu besinnen und in mich selber hineinzulauschen: „Was ist denn eigentlich wirklich los?“ 

Eine starke Botschaft der Besinnung thematisiert auch der Weihnachtsfilm „Merry Christmas“, der auf einer wahren Begebenheit beruht. Benno Fürmann spielt darin den Operntenor Nikolaus Sprink, der am Heiligen Abend 1914 mit Weihnachtsliedern die Waffen zum Schweigen brachte:

Menschen damals haben sich über die Weihnachtstage besonnen, die Absurdität des Krieges begriffen, in Feuerpausen haben die Franzosen dann einen Tenor gehört, der gesungen hat für die Deutschen, den spiele ich, haben dann applaudiert, und daraufhin kam es zu einem Gespräch über die Schützengräben und dann kamen die nach und nach raus, haben miteinander Zigaretten geraucht, sich Bilder von ihren Frauen gezeigt und das gab es an verschiedenen Stellen der Front.

Statt Stellungskrieg- also ein Tenor der „Stille Nacht“ singt.

Ich treffe Benno Fürmann in Berlin, wo er in Kreuzberg aufgewachsen ist. Der Charakterdarsteller ist schon als Kind inmitten zahlreicher Kulturen groß geworden– und beweist heute Charakter, wenn er für das Auswärtige Amt und caritative Hilfsorganisationen „Vergessene Krisen“ aufsucht. In diesem Jahr hat ihn besonders die Armut auf einer Reise in den Libanon erschüttert:

Als wir zu einer Suppenküche von den Johannitern gefahren sind und Menschen standen Schlange, ältere Menschen. Und das fasst mich wahnsinnig an, Altersarmut. Wenn du dann die Tränen siehst von einer 70/80-jährigen Frau und die eine Mahlzeit ist die Einzige, die sie pro Tag hat, dann weißt du in diesem Moment retten die Johanniter Leben. Und sich dann zusammen hinzusetzen und zu beten und durch so ein Mahl vereint zu sein - das ist einfach so ein Moment der ganz einfachen Schönheit, wo man nach einem Gebet schweigend isst. Und bei mir muss die Mahlzeit bis zum Abend reichen, bei denen bis zum nächsten Tag.

In den Projekten von Johannitern, Maltesern und vielen weiteren Organisationen im Libanon trifft Benno Fürmann immer wieder Menschen, die nicht aufgeben:

Menschen machen Mut – Menschen, die unter Umständen, die ich vor der Kamera spiele, die ich aber so natürlich noch nie erlebt habe und hoffentlich nie erleben werde. Menschen, die unter krassesten Bedingungen Kreativität, Liebe, Licht in den Augen behalten und das in die Welt tragen, da verneige ich mich jedes Mal zutiefst.

Vor einigen Jahren besuchte er mit der UNO-Flüchtlingshilfe eine weitere vergessene Krise im Südsudan:

Also der Südsudan war wahrscheinlich das Härteste, was ich je gesehen hab. Das war das erste Mal, dass ich in einem wirklichen Flüchtlingslager war. Die omnipräsenten Kinder, die mit ein paar Fetzen am Leib, die an das T-Shirt erinnern, das es mal war, durch die Gegend flitzen und viel zu schwere Wasserkanister tragen.

Diese Begegnungen mit Menschen, deren Leid vergessen wird, die keine Aufmerksamkeit bekommen, haben für mich und auch für Benno Fürmann ganz viel mit jener Kernbotschaft des Weihnachtsfestes zu tun: so wie damals für Maria, Josef und Jesus kein Platz in der Herberge war, so gibt es auch heute so viele im Libanon, im Südsudan und weltweit, die auf Hilfe warten.

Natürlich ist es so, dass Weihnachten, die Geschichte ist von einer Ankunft, von einem Vertrieben-Sein, von Hoffnung und von offenen Herzen, das Problem ist bloß, wenn wir das auf Weihnachten reduzieren.

Absolut! Das Fest der Menschwerdung kann Kraft schenken jeden Tag neu wieder menschlich zu handeln. Sich selbst Gutes zu tun. Und dem Nächsten. Denn:

Auf lange Sicht ist finde ich ist der Weg des Menschen vom Ich zum Wir. Und das, was du in die Welt bringen kannst, dieses Licht,  ist natürlich total wertvoll- und das auf dem Schirm zu haben, da sind wir glaub ich beim Weihnachtsfest.

*Benno Fürmann, Philipp Hedemann: Unter Bäumen, Gräfe und Unzer, München 2023, S. 231-232.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39035
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