SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

17DEZ2023
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Genau eine Woche noch, dann ist Heiligabend. „Endlich“ sagen die einen, vor allem wohl viele Kinder, denen diese Adventszeit schon jetzt viel zu lange dauert. „Na und“ werden dagegen andere sagen, denen das Fest nur wenig bedeutet. Weil sie nichts damit anfangen können oder niemanden haben, der es mit ihnen feiert. „Was? Schon?“, das rufen eher die, die gerade vor lauter Hektik kaum noch zur Besinnung kommen. Denen noch alle Geschenke fehlen und die noch gar nichts vorbereitet haben.
Es ist eine ziemlich bunte Gemengelage in diesen Tagen kurz vor Weihnachten. Und da hinein heißt es in den katholischen Kirchen heute: Freut euch! So heißt nämlich dieser dritte Adventssonntag: Gaudete! Zu deutsch: Freut euch! Ehrlich gesagt, lange hat das für mich immer ein bisschen wie ein Befehl geklungen. Irgendwie nach: „Jetzt freu dich endlich!“ „Weihnachten steht vor der Tür und da hat man sich gefälligst zu freuen.“ Als Katholik ist man das zwar gewohnt: Du darfst nicht. Du musst. Du sollst. Aber sich freuen auf Kommando, das erscheint dann doch ziemlich grotesk. Und ist so wohl auch nicht gemeint. Freut euch! Das soll eher heißen: Ihr dürft euch freuen. Ihr habt Grund dazu.
Nur fällt das derzeit nicht unbedingt leicht. Auch mir nicht. Viele Menschen, die ich kenne, tun sich gerade schwer damit, sich einfach unbeschwert zu freuen. Haben den Eindruck, dass bei jedem Lachen trotzdem ein Kloos im Hals stecken bleibt. Und ja, selbst manchem Fastnachter fällt das Lachen inzwischen ein bisschen schwerer. Zu sehr drücken all die Krisen aufs Gemüt. Nach der Pandemie gleich der Krieg, all der Hass, die riesige Zahl vertriebener Menschen. Eine globale Klimakrise, die sich von Jahr zu Jahr weiter verschärft. Und über allem die Ungewissheit, was das alles für mich bedeutet. Für meine Zukunft, mein bisschen Glück. Freut euch! Fast schon naiv klingt das, wie das Pfeifen im dunklen Wald.
„Freut euch“, das steht so in der Bibel. In einem Brief an die Christengemeinde in Philippi im heutigen Griechenland. Da heißt es: Freut euch! Denn der Herr ist nahe. (Phil 4,4f) Wenn ich mir die Zeit im ersten Jahrhundert vor Augen führe, als diese Briefe entstanden sind, dann dürfte die allerdings kaum besser als heute gewesen sein. Christen waren eine winzige Minderheit. Und die Aufforderung sich zu freuen zeigt mir: Schon damals haben sich einige schwer damit getan. Freut euch, das ist auch kein Appell. Vielmehr eine Erinnerung. Erinnern an eine Hoffnung.

Worüber freue ich mich eigentlich? Da überrascht mich ein Mensch, der mich gut kennt, mit meiner Lieblingsschokolade. Einfach so, ohne Anlass. Darüber freue ich mich! Ein Violinstück, an dem ich schon wochenlang übe, gelingt mir endlich. Ich bin stolz auf mich und freue mich. Ein Projekt im Job läuft genau so, wie ich es geplant hatte. Das freut mich.
Ich merke: Es sind kleine Dinge, die mein Leben für einen Moment heller machen, die Seele streicheln, mir gut tun. Selbst dann, wenn die Welt gerade alles andere als erfreulich ist. Und es gibt ja noch eine andere Freude, die sogar in die Zukunft reicht. Auf ein paar Tage Urlaub freue ich mich oft schon Wochen im Voraus. Stelle mir vor, wie gut mir die Erholung tut. Pure Vor-Freude also! Hoffen auf das, was bald schon sein wird.
So eine Vor-Freude müssen die Christen damals gehabt haben. Fest haben sie darauf gehofft, dass Jesus bald wiederkommen wird. Sicher, er war am Kreuz gestorben und jetzt im Himmel. Aber von dort würde er zurückkommen. In Kürze schon, ganz sicher. Und dann, so hofften sie, werde Gottes neue Welt anbrechen und alles Elend hier ein Ende haben. Glücklich würden sie sein. Darauf haben sie vertraut. Darauf haben sie sich gefreut. Und daran sollen sie sich erinnern: „Freut euch. Der Herr ist nahe!“
Heute, 2000 Jahre später, erscheint das ziemlich naiv. Trotzdem hoffe ich als Christ darauf, dass Gottes neue Welt kein Hirngespinst bleibt. Dass sie einmal sein wird. Irgendwann. Die Bibel spricht in menschlichen Bildern davon: Von einem neuen Himmel und einer neuen Erde, wo Gerechtigkeit herrscht. Wo kein Tod, keine Trauer, keine Klage mehr sein werden. Aber wie und wann das sein wird, das weiß ich nicht.
In einer Woche ist Weihnachten. Da erinnern sich auch heute noch Christinnen und Christen überall auf der Welt, dass Gott diese Welt nicht vergessen hat. Dass er in einem Menschen in diese Welt gekommen ist
Konkret und greifbar. Und dass er durch das, was dieser Jesus später gesagt und wie er es vorgelebt hat, eine Hoffnung in die Welt gesetzt hat. Eine Hoffnung in den Köpfen und Herzen. Freut euch darüber, heißt es heute, und hört nie auf zu hoffen. Auf eine bessere Welt, die möglich ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39012
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