SWR2 Wort zum Tag

01JAN2024
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„Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt.“ So heißt es in einem alten Schlager, den ich als Kind oft auf Schallplatte gehört habe. Ich durfte dann sogar den Film sehen, aus dem dieses Lied stammt. Er heißt „Die Drei von der Tankstelle“. Darin geht es um drei gute Freunde, die sich gegenseitig versichern: „Ein Freund, ein guter Freund, das ist der größte Schatz, den's gibt.“

Ich habe also früh gelernt, wie wichtig Freunde fürs Leben sind und es bald selbst erfahren. Ob in der Schule, im Studium oder im Beruf: Mit einer guten Freundin oder einem guten Freund an der Seite habe ich mich immer viel leichter getan. Gerade in ungewohnten Situationen war und bin ich immer sehr froh, jemanden dabei zu haben, dem ich vertraue und auf den ich mich verlassen kann.

Der Philosoph Wilhelm Schmid hat mehrere Bücher zum Thema Freundschaft geschrieben. Für ihn ist klar: Glücklicher ist, wer Freunde hat. Freundschaften zu pflegen sei aber anspruchsvoller geworden, sagt Schmid. Denn frühere Generationen seien in ein Netzwerk von Freundschaften hineingeboren worden. Zum Beispiel auf dem Dorf: Da hat es in der Nachbarschaft viele Verwandte und Freunde gegeben, die junge Menschen von klein auf kennen gelernt haben. Und weil viele ihr ganzes Leben an diesem Ort verbracht haben, haben sie ihre Freunde immer um sich herumgehabt.

Heute sind wir viel mobiler: Ein neuer Job, eine andere Stadt, alles ist in Bewegung. Meine Freunde aus der Schulzeit leben in Kanada, in der Schweiz und in ganz Deutschland verteilt. Klar, ich versuche den Kontakt zu halten. Aber wenn wir uns ein-, zweimal im Jahr sehen, kann ich schon froh sein. Und kurze Nachrichten übers Handy können es nicht ersetzen, sich persönlich zu begegnen.

Der Philosoph Schmid sagt: Weil sich so viel verändert hat, müssen wir neu lernen Freundschaften zu führen. Den Gedanken finde ich tröstlich: Statt mir selbst vorzuwerfen, Freunde zu vernachlässigen, erkenne ich, wie schwer es heute für alle geworden ist.

Schon oft habe ich gelesen: Es ist wichtiger einige wenige Freundschaften zu vertiefen, als viele Freunde so halbwegs zu kennen. Weniger ist oft mehr. Wilhelm Schmid geht noch einen Schritt weiter. Für ihn geht es zuerst darum, Freundschaft mit sich selbst zu schließen. „Selbstfreundschaft“ heißt das Zauberwort. Denn wohin mich das Leben auch verschlägt: Mit mir selbst sollte ich gut auskommen, meine Stärken schätzen und gern mit mir unterwegs sein.

Schmid möchte dabei nicht von Selbstliebe sprechen. Bei der Liebe verschwimmen die Grenzen, da stehen die großen Gefühle im Vordergrund. Eine Freundschaft kennt auch die Schwächen des anderen und muss nichts idealisieren. Mit mir selbst Freundschaft zu schließen heißt also: Ich kann auch mal über mich selbst lachen.

Die Gedanken von Schmid will ich mir in diesem Jahr zu Herzen nehmen. Einige Freunde kenne ich seit fast 40 Jahren. Da weiß ich längst um Lebenskrisen und kleine Geheimnisse. Die Freundschaft ist erwachsen geworden. Manchmal muss nicht viel gesagt werden, weil wir einander gut kennen. Wie wäre es, so eine Freundschaft mit mir selbst zu pflegen? Nachsichtig mit den eigenen Marotten und dankbar für die gemeinsamen Jahre. Zugleich neugierig, weil ich noch neue Seiten entdecken kann. Wer mit sich selbst als Freund durchs Leben geht, kann auch anderen leichter ein guter Freund sein.

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