SWR3 Gedanken

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22DEZ2023
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Bahnfahren ist ja bekanntlich immer ein Abenteuer. Als der rote Regiozug einfährt, bin ich zuerst froh darüber den winterlichen Temperaturen zu entkommen, aber dann ändert sich meine Meinung schnell. Der Zug ist gerammelt voll und eine feucht-schwüle Wolke schlägt mir entgegen. Doch es hilft alles nichts: Ich muss da rein. Der penetrante Muff kriecht mir in die Nase und ich zwänge mich irgendwo zwischen eine Achselhöhle und ein Fahrrad.

Inzwischen atme ich durch den Mund, denn nur so lässt es sich aushalten und beginne in meinem Kopf eine kleine Unterhaltung: „Mein lieber Gott, du hast gesagt: ‚Ich bin alle Tage und überall bei euch‘. Bist du dann auch hier in dieser stinkenden Regionalbahn?“

Die Antwort gibt mir der liebe Gott ziemlich schnell. Da sitzt ein kleiner Junge im Kinderwagen und erntet einen Zwinker von einem Mann mit Hipsterbrille. Zwei alte Damen wissen nicht, wo sie rausmüssen und eine junge Frau schaut im Handy für sie nach. Ein Pärchen wechselt verliebte Blicke und ein junger Typ aus Aserbaidschan spricht mich an. Wir haben ein unglaublich nettes Gespräch, und durch ihn fühle ich mich in meinem eigenen Land so willkommen wie schon lange nicht mehr.

Ich kann Gott nicht direkt sehen, er versteckt sich gern. Ich hab ihn aber in der überfüllten Regionalbahn gefunden, und ich glaube er ist auch am Glühwein-Stand in fröhlicher Runde und dort wo jemand Weihnachten allein ohne Christbaum und Stimmung feiert. Dank Weihnachten weiß ich, besonders gern zeigt sich Gott in Menschen. Und dabei ist völlig egal wie muffig es ist.

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