SWR2 Wort zum Tag

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15DEZ2023
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Johannes der Täufer, ihm ist der dritte Adventssonntag gewidmet. Johannes der Täufer – ein radikaler Bußprediger. Die Leute ziehen damals in Scharen an den Jordan, wo er predigt und tauft. Als Jesus sich von ihm taufen lassen will, meint Johannes, in Jesus den Messias zu erkennen.

Johannes der Täufer dürfte kein smarter Zeitgenosse gewesen sein. Johannes prangert das Unrecht seiner Zeit an. König Herodes lässt den Täufer daraufhin gefangen nehmen. Johannes war zu unbequem. In der Bibel lesen wir, dass der König sich gerne mit seinem Gefangenen Johannes unterhalten hat. Trotzdem hat er ihn schließlich umbringen lassen, diesen kompromisslosen Bußprediger, der den Mächtigen seiner Zeit den Spiegel vorgehalten hat. Das rächt sich meistens. Bis heute.

Kompromisslose Menschen sind mir in der Regel unheimlich. Sie wissen alles immer ganz genau und haben immer Recht. Für mich schmeckt das nach Unbarmherzigkeit. Insofern ist mir Johannes der Täufer, bei allem Respekt für seine Leistung, erst einmal suspekt. Doch eine kleine Episode lässt mir den radikalen Prediger sympathisch werden.

Am Ende seines Lebens, so lese ich in der Bibel, bekommt Johannes Zweifel. Er sitzt im Gefängnis und fragt sich, ob er auf die richtige Person gesetzt hat. Johannes schluckt seine Zweifel nicht herunter, er setzt sich ihnen aus. Das ist mutig.

Ein zweifelnder Johannes – damit kann ich viel anfangen. Es wäre schön, wenn alle, die sich einbilden, es ganz genau zu wissen, sich gelegentlich solche Zweifel gönnen würden. Das gilt auch für mich. Ich möchte mir Johannes zum Vorbild nehmen. Zweifeln dürfen. Unsicherheit zulassen. Das tut mir gut, aber auch den Menschen, die mit mir zu tun haben. Ich habe nicht die Weisheit der Welt mit Löffeln gefressen. Ich weiß auch nie ganz sicher, ob ich meine Lebensaufgaben erfüllt habe. Es bleibt immer ein gutes Quantum Unsicherheit.

Die Antwort von Jesus an Johannes bleibt übrigens eher vage. Johannes muss sich letztlich selbst entscheiden, ob sie ihm ausreicht. Die Bibel erzählt darüber nichts. Sicher scheint mir nur: Die letzten Zweifel sind bis zu seinem Lebensende nicht ausgeräumt worden. So wie bei allen wichtigen Dingen des Lebens. Hundertprozentig ist nichts. Mir genügt das.

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