Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

27NOV2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Es war nur ein kurzer Anruf am frühen Morgen. Danach ist alles anders. Annes alte Mutter war gestürzt. Anne ist eine Freundin und erzählt, was sie innerhalb kürzester Zeit organisieren muss. Schon die täglichen Besuche im Krankenhaus sind eine Herausforderung. Außerdem ist schnell klar, dass ihre Mutter nicht weiter alleine in ihrer Wohnung leben kann. Also muss Anne nebenbei noch einen Pflegeplatz suchen. Das alles, obwohl die Beziehung zu ihrer Mutter schwierig ist. Der eigene Alltag mit Arbeit, Haushalt, Mann und Kindern geht natürlich trotzdem weiter. Anne hat keine Chance durchzuatmen.

Wenn Eltern von einem Tag auf den anderen plötzlich pflegebedürftig werden, dann müssen Angehörige funktionieren. Egal wie die Umstände sind. Das ist nur ein Beispiel von vielen, wo das so läuft. Das kann die eigenen Kinder betreffen, die plötzlich mehr unterstützt werden müssen als man gedacht hat. Das kann im Beruf sein, weil eine Kollegin von jetzt auf nachher ausfällt und ihre Arbeit trotzdem gemacht werden muss. Das kann auch nach einem Umzug oder einer Trennung sein, wenn man sich neu im Leben zurecht finden muss. Ich habe solche Situationen selbst oft genug erlebt. Zuletzt als meine Kollegin lange krank war. Ich weiß dann: Da komm ich nicht drum herum, da muss ich durch. Ich schaffe das auch immer irgendwie. Wenn ich Glück habe, gibt es noch jemanden, der sieht, was ich gerade leiste. Aber oft scheint das so normal, dass sich keiner wundert, wie ich das alles bewältige. So hat es auch meine Freundin erlebt. Bis ich ihr geschrieben habe: „Das ist gerade viel, was du aushalten und leisten musst. Ich wünsche dir, dass deine Mutter wertschätzen kann, wie du dich einsetzt. Und wenn sie das nicht macht, wünsche ich dir, dass du selbst würdigen kannst, wie du das alles hinkriegst. Selbstverständlich ist es nicht.“

Anne haben meine Worte gut getan, sagt sie. Sie konnte einen Moment inne halten und hat sich auch nicht mehr so schlecht gefühlt, wenn sie das eine oder andere einfach nicht gut genug hinbekommen hat.

Wir sind es nicht gewohnt, uns selbst zu würdigen, zu schätzen, wenn uns etwas gut gelingt. Oder wenn wir etwas ausgehalten haben, was nur schwer auszuhalten war.

Es ist gut das zu lernen: Immer wieder anerkennend auf sich selbst zu schauen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38831
weiterlesen...