SWR2 Wort zum Tag

23NOV2023
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„Was man anfängt, das bringt man auch zu Ende“ – dieser Satz hat sich wie eine Regel in mich eingebrannt, weil ich ihn als Kind immer wieder gehört habe. Aber ist diese Regel überhaupt sinnvoll?

Immer wieder höre ich von Menschen, die solche Glaubenssätze mitbekommen haben. Eine Patientin in der Psychiatrie hat mir im Gespräch ihren Glaubenssatz verraten. Er heißt: „Im Leben bekommt man nichts geschenkt.“ Und eine Bekannte, die drei Kinder großgezogen hat und inzwischen Oma ist, hat bisher auch nach einer übernommenen Regel gehandelt: Sie hat immer versucht, es allen recht zu machen.

Manche meiner Glaubensätze sind mir bewusst. Aber ich bin mir sicher, es gibt auch welche, die ich so verinnerlicht habe, dass ich sie gar nicht wahrnehme. Ich verhalte mich in bestimmten Situationen so, wie sie es mir vorgeben und so prägen sie mein Leben.

Solche Glaubenssätze haben durchaus Vorteile: ich weiß, wie ich mich in bestimmen Situationen verhalten kann und habe klare Maßstäbe, was gut oder schlecht ist. Immerhin habe ich mit diesen Sätzen als Kompass bis jetzt überlebt.

Aber manchmal können sie mir auch das Leben schwer machen. Sie können mich z.B. daran hindern, glücklicher und zufriedener mit mir selbst zu sein, wenn ich sie für absolute Wahrheiten halte, die immer und überall gelten. Denn dann nehmen sie mir die Möglichkeit, Dinge auch mal aus einer anderen Perspektive zu sehen. Oder sie hindern mich auszuprobieren und zu erleben, was passiert, wenn ich etwas mal anders mache als sonst.

Meine Bekannte, die es immer allen recht machen wollte, hat ihren Glaubenssatz vor Kurzem über Bord geworfen. Sie hat entschieden: Du musst es nicht immer allen recht machen, du darfst auch mal biestig sein.

Die Patientin in der Psychiatrie, die überzeugt davon war, dass man im Leben nichts geschenkt bekommt, hat auf einmal Dinge entdeckt, wo sie sehr wohl beschenkt war, z.B. mit einer treuen Brieffreundin, die ihr bis heute regelmäßig schreibt.

Und auch mein eigener Glaubenssatz, dass man zu Ende bringt, was man begonnen hat, konnte ich hier und da schon mal ignorieren. Ich habe gemerkt, dass ich sehr wohl etwas abbrechen konnte, ohne dass es fertig war. Und es hat weder mir noch jemandem anderen geschadet. Eine befreiende Erfahrung!

Ich glaube, es lohnt sich den eigenen Glaubensätzen auf die Spur zu kommen. Wenn sie mir bewusst sind, dann kann ich entscheiden, sie zu ändern, mich von ihnen zu lösen oder an ihnen festzuhalten. So wie es dem Leben dient.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38805
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