SWR4 Abendgedanken
„Die meisten Leute suchen sich das Motiv aus, das ihnen am wichtigsten ist. Es geht schließlich unter die Haut …“. Das hat mir neulich eine junge Frau aus der Gemeinde erzählt. Denn genau das macht sie. Sie arbeitet in einem Tattoo-Studio und zeichnet Menschen Bilder unter die Haut. Tattoos, oder Tätowierungen sieht man in den letzten Jahren ja immer häufiger. Und man kann davon halten was man will. Aber ich habe mir das noch nie so klar gemacht: Dass Menschen sich ein Motiv tätowieren lassen, damit es ihnen buchstäblich unter die Haut geht. Weil es ihnen so wichtig ist und Spuren hinterlassen soll. Sichtbare Spuren, die etwas erzählen. Vielleicht hoffen sie, dass jemand die Spuren auf ihrer Haut sieht und nachfühlen kann, was sie erlebt haben.
Ich glaube das können sehr schöne Sachen sein, aber auch ganz schlimme. Und trotz Tattoo kann niemand in die Haut eines anderen schlüpfen und nachfühlen, was der erlebt hat – sei es nun etwas Schönes oder etwas Schreckliches. Kein Mensch kennt das Leben eines anderen Menschen so genau. So genau kennt es nur Gott. Denn ihm war es wichtig, es ganz genau zu wissen.
Deshalb ist Gott irgendwann in unsere Haut geschlüpft. Als er als Mensch zur Welt kam. Direkter geht gar nicht. Er hat es an der eigenen Haut erlebt, das Menschsein. Und ich bin Gott dankbar dafür. Er kennt mich. Und er weiß wie sehr mir gerade all die Konflikte auf dieser Welt und das viele Leid unter die Haut gehen. Er weiß aber auch, dass es mich immer wieder sehr bewegt, wenn meine Kinder mich umarmen.
Und genau das hat er selber erlebt. Genau das ist es, was Menschsein bedeutet. Dass wir hier auf unserer schönen Erde leben. Und dass wir mit all dem irgendwie klarkommen müssen, was wir jeden Tag so erleben.
Damit lässt das auch Gott nicht alles kalt, was mich beschäftigt. Und das ist vielleicht auch ganz gut so. Denn dadurch trägt er alles mit. Und er versteht, dass mir manches eben unter die Haut geht. Er freut sich mit mir, wenn ich mich freue. Er ist mit mir traurig, wenn ich traurig bin. Und er ist mit mir wütend, wenn ich wütend bin. Nur so verstehe ich es, dass mir manche Sachen so nahe gehen. Und sie mir eben so nicht nur unter die Haut gehen. Sondern noch viel tiefer.
Gott weiß alles von mir, weil er nicht nur in unsere Haut geschlüpft ist, sondern weil jede Zelle meines Körpers von ihm durchdrungen ist.
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