SWR4 Abendgedanken

14NOV2023
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„Die schenke ich Ihnen.“ Mit diesen Worten hat mir neulich ein Mann zwei Haselnüsse in die Hand gedrückt. Und sich dann verabschiedet. Ich war mit dem Zug unterwegs und er hatte sich mit seinem Rollator neben mich gesetzt. Und hat angefangen zu reden. Dass er oft mit dem Zug fährt, dass er es so schön findet, wenn er hier und da aussteigen kann, um spazieren zu gehen. Und wo es die schönsten Parkbänke zum Ausruhen gibt.

Er hatte in dem Netz von seinem Rollator ein paar Blätter gesammelt. Ein besonders schönes hat er mir dann auch gezeigt und erklärt, dass das ein Gingko-Blatt sei. Wo er es her hat, wie man diese Bäume am besten pflegen muss und was sie für Standorte mögen. Vom Gingko kam er dann noch zu den Haselnusssträuchern. Ich weiß jetzt vermutlich alles, was man so über Haselnüsse wissen kann. Deshalb hat er mir dann zum Abschied die Haselnüsse geschenkt.

Meine Begegnung mit dem Mann war eine absolut zufällige Situation. Und jeder andere, der zufällig neben ihm gelandet wäre, hätte sich vermutlich denselben Vortrag anhören dürfen. Trotzdem hat mich diese Begegnung noch lange begleitet. Und ich habe mich gefragt, warum?

Vielleicht, weil ich die zwei Haselnüsse jetzt in meiner Hosentasche gespürt habe? Vielleicht, weil es für den Mann so normal war, mir das alles zu erzählen? Vielleicht, weil uns die Zeit nebeneinander für diesen einen Moment miteinander verbunden hat?

Vermutlich ein bisschen was von allem. Der Mann hat mich im besten Sinne beeindruckt. Wir sind uns wirklich begegnet – und nicht einfach nur nebeneinandergesessen. Der Mann hat mir das mitgegeben, was er weiß und was er gut kann. Einfach, weil ich in dem Moment zufällig da war. Und weil ich bereit war, zuzuhören. Jetzt weiß ich alles über Haselsträucher, und wer weiß, was ich damit noch anfangen werde.

Bei Jesus muss das damals auch so gewesen sein. Er hat die Menschen wohl auch beeindruckt. Mit dem, was er ihnen erzählt hat. Mit dem, wie er gelebt hat. Er hat Geschichten davon erzählt, wie das Leben auch sein könnte. In Bildern erklärt: Wie schön es wäre, wenn wir miteinander leben würden und nicht gegeneinander. Oder alle nicht nur nach sich selber schauen würden. Von Samenkörnern, die gepflanzt werden und aufgehen.

Im Vergleich dazu waren die Geschichten des Mannes neben mir im Zug vielleicht nicht so wichtig. Aber– wer weiß: die zwei Haselnüsse habe ich bei uns daheim im Garten in die Erde gesteckt – vielleicht geht ja was auf.

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