Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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07NOV2023
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„Ich mag da gar nicht anrufen.“ Das hat eine Frau zu mir gesagt, als sie mir von ihrer Bekannten erzählt hat, der es gar nicht gut geht. „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“

Ich kann die Frau gut verstehen. Für Menschen da zu sein, die gerade in einer Krise stecken, ist schwer. Ich kenne das Gefühl auch: Alles, was ich sagen könnte, klingt irgendwie falsch. Aber ich habe inzwischen verstanden: Oft kommt es in solchen Situationen gar nicht so sehr darauf an, was man sagt oder tut. Sondern vor allem: Dass man da ist.

Selbst Profis tun sich oft schwer, die richtigen Worte zu finden. Von einem Krankenhausseelsorger habe ich gelesen, dass er als ganz junger Pfarrer zu einer Frau gerufen wurde, die schreckliche Angst hatte, ihre Operation am nächsten Tag nicht zu überleben. „Nun“, so hat er es später erzählt, „saß er da und hatte absolut keine Ahnung, wie er darauf reagieren sollte. Um seine Verwirrung zu überspielen, ergriff er erst einmal ihre Hand […]. Da begann sie zu erzählen. Er hörte ihr kaum zu; noch immer ihre Hand haltend suchte er im Gedächtnis krampfhaft nach irgendwelchen Worten des Trostes aus der christlichen Tradition […]. Als er den Raum betreten hatte, waren sie ihm noch alle präsent, aber nun waren sie wie weggewischt.“

Ratlos und schweigend saß der junge Pfarrer da, schickte Stoßgebete zum Himmel, um die richtigen Worte zu finden, aber ihm fielt absolut nichts ein. Die Patientin dagegen sprach weiter, weinte auch ein wenig – und schlief schließlich ein. Der Seelsorger schlich davon – mit dem sicheren Gefühl, seinen Beruf verfehlt zu haben.

Einige Wochen später aber bekam er einen Brief von ihr. Darin bedankte sie sich für seinen Beistand, für all die wunderbaren Dinge, die er während seines Besuchs für sie getan und besonders: die er gesagt hatte.

Das ist lange her, hat er später als erfahrener Seelsorger erzählt – und mit einem Schmunzeln hinzugefügt: „Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, dass Gott, wenn ich darum bete, jemandem dienen zu können, manchmal Ja sagt und manchmal Nein – und sehr oft auch: Geh mal zur Seite, Patrick. Ich mache das selber.“

Ich mag die Geschichte. Sie hilft mir, wenn es mir mal wieder schwerfällt, mit jemanden Kontakt aufzunehmen, dem es schlecht geht. Denn meist genügt es tatsächlich schon, dass ich mich melde. Das Übrige habe ich nicht in der Hand…

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