SWR3 Gedanken

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29OKT2023
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„Gott, ich bin so stinkesauer auf Dich!“ Malias laute Stimme durchbricht die Stille im Morgenkreis. Wir haben Reli – Unterricht in der 2. Klasse. Malias Wut ist echt.

Sie schluckt und flucht: „Du machst nix, obwohl Menschen töten!“ Ein Raunen geht rum.

Mattis widerspricht laut: „Du darfst nicht sauer auf Gott sein. Sonst wird Gott richtig böse!“ „Mir doch egal, der soll jetzt endlich was machen!“ Malia verschränkt trotzig die Arme.

Puh – Ich selbst bin noch gar nicht richtig wach, und meine Reli-Kinder befinden sich schon in einer hochtheologischen Diskussion. Darf man mit Gott schimpfen? Darf ich Gott anklagen und wütend auf ihn sein?

Schließlich meldet sich Lea: „Frau Schimmel, Du hast mal gesagt, wir können Gott alles sagen. Also können wir ihm auch sagen, dass wir sauer auf ihn sind.“

Ich nicke und erzähle den Schülern, dass Menschen eigentlich schon immer mit Gott geschimpft haben, wenn sie verzweifelt waren und nicht mehr weiterwussten. Die Kinder glauben mir erstmal nicht, also zeige ich ihnen Gebete in der Bibel, die schon 2500 Jahre alt sind. In einem von ihnen (Psalm 77) heißt es: „Ich rufe zu Gott, ja, ich schreie immer wieder, damit er mich endlich hört. Ist Gottes Gnade für immer zu Ende? Gelten seine Zusagen nicht mehr?“

„Boah, der ist ja mega enttäuscht von Gott“, stellt Noah fest, „der denkt, Gott hält seine Versprechen nicht!“ Die Kinder können den Beter total gut verstehen und finden es richtig, dass er sich bei Gott beschwert. Sie werden sich einig, dass es wichtig ist, mit Gott ehrlich zu sein. Am Schluss finden wir leider trotzdem keine Antwort auf die Frage von Malia, wie es sein kann, dass Gott nix tut, obwohl Menschen einander töten.

Aber wir schließen die Stunde dennoch mit einer wichtigen Erkenntnis ab: „Manchmal muss man sich einfach bei Gott auskotzen“, fasst Noah zusammen, „dann frisst man nicht alles in sich rein.“ Ich finde, da hat er sehr recht!

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