Anstöße sonn- und feiertags

Anstöße sonn- und feiertags

15OKT2023
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In meinem Badezimmer stehen auf der Fensterbank 30 kleine Plastikenten. Etwas lästig beim Staubwischen oder Fensterputzen, aber ansonsten erfreuen sie mich täglich. Und wenn Kinder zu Besuch kommen, dürfen die Entchen in der Badewanne schwimmen; durch das Plantschen steht zwar das Bad unter Wasser, macht aber Spass. Eine rote Wut-Ente ist dabei, mit Hörnchen, eine Kuh-Ente, ein Neuwieder Pfau, der Trierer Karl Marx mit dem "Kapital" unterm Arm und ein Rabbiner mit der Thora unddem siebenarmigen jüdischen Leuchter Und ganz viele gelbe Entchen. Eine mit rotweißen Ringen um den Bauch, die hat glaube ich ziemlich Übergewicht.

Ich hatte mal eine Ente auf dem Flohmarkt gefunden. Seitdem bekomme ich immer neue geschenkt. Das Schöne ist: sie sehen so unterschiedlich aus, aber letztlich sind es alles Entchen. Egal, welche Farbe, egal, welcher „Beruf“ – Ente bleibt Ente. Soweit, so lustig.

Aber im richtigen Leben gibt es das auch. Der Eine kauft sich für viel Geld ein Ticket für eine Reise und schippert mit einem gigantischen Kreuzfahrtschiff über die Weltmeere. Der Andere kauft sich für viel Geld ein Ticket und fährt auf einem schäbigen Boot von Nordafrika übers Mittelmeer nach Europa.

Die einen suchen das Abenteuer: in einem Tauchboot wollen sie die Überreste der Titanic im Atlantik sehen und die Welt fiebert besorgt und anteilnehmend mit, weil das Boot verloren geht und die Menschen nur für 96 Stunden Luft haben.

Die anderen fliehen vor Krieg und Leid und suchen ein besseres Leben: sie setzen sich in einfache Schlauchboote und leider versinken viele von ihnen – von der Weltöffentlichkeit ziemlich unbemerkt – in den Tiefen des Mittelmeers.

Komisch. Bei den Enten ist es so leicht zu erkennen: Ente ist Ente. Soll es bei den Menschen anders sein? Nein. Menschen sind  – bei aller Verschiedenheit – einfach Menschen, alle geschaffen nach Gottes Ebenbild.

 

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