Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

04OKT2023
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Manche Menschen wirken auf den ersten Blick verrückt. Aber auf den zweiten Blick ist das, was sie tun, zutiefst menschlich und voller Liebe zum Leben. Bei Lucia ist das so.

Lucia ist eine junge Landwirtin und lebt in einem Dorf im Veltlin, in der Lombardei, und sie hat ein besonderes Verhältnis zu Tieren. Lucia sagt: „Für mich sind meine Kühe und Schafe wie ein Teil meiner Familie. Wenn sie geboren werden, gebe ich ihnen als erstes einen Namen, als wären sie mein Bruder oder meine Schwester.“

Das hat Lucia schon als Kind getan. Sie erzählt: „Im Kindergarten bin ich jedes Mal, wenn ein Kälbchen oder ein Lämmlein geboren wurde, sofort zu meinen Erzieherinnen gelaufen und habe gesagt: „Ich habe ein Geschwisterchen bekommen!“. Weil wir so viele Tiere hatten, kam das unter der Woche zwei bis drei Mal vor.“ Und jetzt lacht Lucia und erzählt weiter: „Der Gipfel war, als ich zum Kinderpsychologen musste, denn meine Erzieherinnen hatten Angst, dass mit mir etwas nicht in Ordnung sei. Mein Verhalten war für sie einfach nicht logisch. Aber die Psychologin meinte nur: Alles in bester Ordnung. Nur die Erzieherinnen könnten gerne in Therapie!“  

Lucias besondere Haltung gegenüber Tieren erinnert mich an Franz von Assisi. Heute ist sein Namenstag, und heute ist auch Welttierschutztag. Seit 1931 wird er international begangen – heute am Franziskus-Tag, den die Kirche schon seit dem 13. Jahrhundert feiert. Das passt wunderbar zusammen. Denn auch der Heilige Franziskus hatte eine ganz besondere Verbindung zu Tieren und zur Natur. Zu Vögeln soll er sogar gepredigt und ihnen von der Liebe Gottes erzählt haben. Er muss selbst wohl auch ein ziemlich verrückter Vogel gewesen sein. Ähnlich wie Lucia hat auch er Tiere als seine Brüder und Schwestern angesehen und sie wie Menschen geachtet. Weil sie in Franziskus Augen genauso Geschöpfe Gottes sind wie die Menschen und die ganze Natur. 

Mich inspiriert das, und es erinnert mich daran: Tiere sind eigenständige Wesen. Sie sind mehr als nur Milch-, Fleisch oder Eierspender. Sie haben eine Würde. Franz von Assisi würde wohl unterschreiben, was auch Lucia sagt. Die junge Landwirtin, mit so viel Leidenschaft, erklärt: „Jedes Mal, wenn ich ein Tier ansehe, hat es einen Ausdruck und auch Gefühle. Mein Vater sagt immer, es sind keine Tiere, es sind Lebewesen. Und so müssen sie auch behandelt werden. Weil wir alle Kinder dieser Erde sind.“  

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38530
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