SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

06OKT2023
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„Die größte Herausforderung war für mich die Himmelsleiter“ – das hat mir ein Mann vom Nachbartisch erzählt. Vermutlich habe ich ihn ein bisschen verwundert angeschaut. Deshalb hat er nachgeschoben, dass das in einem Klettersteig war. Wir waren im Urlaub in Österreich wandern und da sind wir ein bisschen ins Gespräch gekommen. Ich habe das dann gegoogelt und beschlossen, dass ich da nicht rauf muss. Aber – ich muss ja zugeben: als Pfarrer habe ich bei „Himmelsleiter“ direkt an die Bibelgeschichte von Jakob  denken müssen – vielleicht war ich auch deshalb so verwundert.

Jakob hatte sich mit seinem Bruder überworfen und der war zurecht sauer auf ihn. Er hatte ihn um sein Erbe betrogen und war deshalb geflohen. Nachts schlief er im Freien und träumte eben – genau von einer Himmelsleiter. Von einer Leiter, die auf dem Boden steht und die bis in den Himmel reicht. Soweit, dass auf dieser Leiter Engel hoch- und runtergeklettert sind.

Für Jakob war dieser Traum etwas ganz Besonderes. Weil er dadurch verstanden hat, dass Gott ihn nicht aufgegeben hat. Und das, obwohl er seinen eigenen Bruder betrogen hatte. Das hat ihm die Kraft gegeben weiterzugehen. Mit seinen Fehlern im Gepäck – und am Ende haben sich die Brüder auch wieder versöhnt.

Für mich ist diese Himmelsleiter auch etwas ganz Besonderes. Weil sie ein schönes Bild für die direkte Verbindung zwischen Gott und der Welt ist. Ich habe natürlich auch noch nie so eine Leiter gesehen. Und da bin ich eigentlich auch echt froh drüber – Mit Höhe habe ich es nicht so.

Aber dieses Bild steht genau dafür. Dass es eine Verbindung gibt zwischen uns Menschen und Gott. Dass es kein unüberwindliches Hindernis ist, das zwischen uns steht. Auch wenn wir eben ganz Menschen sind.

Und noch ein zweites: Die Himmelsleiter ist in beide Richtungen begehbar. Die Engel gehen als Boten auf und ab. Es ist also keine Einbahnstraße.

Ich kann mit Gott reden. Beten. Ihm erzählen, was mich alles so beschäftigt. Worüber ich mich freue und was mir das Leben manchmal schwer macht. Ich muss nicht raufsteigen. Das machen meine Gedanken, meine Gebete und Wünsche für mich. Und ich merke, dass dann auch was zurückkommt. Dass ich einfach spüre, dass ich nicht allein bin mit meinen Gedanken. Ein Stückchen Himmel, wenn man so will. Ganz oben von der Leiter.

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