SWR4 Abendgedanken

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02OKT2023
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Stellen Sie sich Mal vor, jemand sagt zu Ihnen: Lass Dein ganzes Leben hinter Dir und fang ganz neu an. Wo, verrate ich Dir noch nicht. Aber ich will Dich segnen und Du sollst ein Segen sein. 

Also ich glaube, dass ich vermutlich nur mit dem Kopf schütteln würde. Abraham, in der Bibel, hat aber genau das gemacht.

Er hat es gemacht, weil Gott ihm versprochen hatte, dass er ihn begleiten wird. Dass er ihn segnen wird und er so auch wieder zu einem Segen werden kann. Darauf hat Abraham sich verlassen. Das hat ihm Mut gemacht und ihm Kraft gegeben.

Wahrscheinlich ist dieser Satz deshalb ein so beliebter Taufspruch. Auch unser Sohn hat diesen Segensvers als Lebensmotto in der Taufe mit auf den Weg bekommen. Ich will Dich segnen und Du sollst ein Segen sein.

Ich will dich segnen: Das klingt gut. Gott wird mich nicht allein lassen und dafür sorgen, dass mein Leben gut wird – das ist zumindest der Wunsch, der da dahintersteckt.

Ich will dich segnen. Das verstehe ich. Aber das „… und du sollst ein Segen sein?" Wie kann ein Mensch ein Segen sein für andere?

Nun – zunächst sind ja Kinder an sich ein Segen. Sie sind für mich wie der Segen ein Geschenk. Einfach deshalb, weil sie da sind. Egal, ob sie lachen oder weinen. Sich freuen oder gerade ein bisschen bockig sind. Dadurch bereichern sie das Leben. Sie machen mich dankbar. Ihre Fragen machen mich weise, wenn ich über die Antworten nachdenken muss. Ihr Staunen zeigt mir, wie schön unsere Welt ist. Oder wie schrecklich.

Sie sind aber auch ein Segen, weil sie mich Zeit kosten. Ja sie haben mich richtig verstanden. Meine Kinder beispielsweise kosten mich Zeit. Und das ist gut so. Denn Zeit füreinander ist etwas sehr Wertvolles und kann zum Segen werden. Wenn ich mir Zeit für einen anderen Menschen nehme, dann reißt mich das raus aus meinem Alltagstrott. Es kostet mich Zeit und gleichzeitig teilen wir ein Stück Leben miteinander. Die kurze Begegnung bei der Kaffeemaschine im Büro. Das lange schon überfällige Eis mit der besten Freundin. Oder bei den leidlichen Hausaufgaben. „Was für ein Segen“ oder: „Dass du für mich in diesem Moment da warst, war ein echter Segen …", sind Aussagen, die genau das beschreiben. Und so bleibt für mich: Auch, wenn „Segen für andere“ sein, Zeit kostet, möchte ich sie mir gerne genau dafür nehmen.

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