SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

29SEP2023
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Ich zehre von diesem Sommer. Von den Farben, die immer noch in meinem Kopf sind. Von den Düften und Gerüchen, die ich wahrgenommen habe. Und vor allem: Von der Stille, die ich gespürt habe. Es waren Wochen, die ich sehr intensiv erlebt habe.

Ich bin viel unterwegs gewesen. Und die beste Zeit war die, in der dabei nichts passiert ist. In der ich keinen Plan für den Tag gemacht habe. Sondern mit Kaffee oder einem Glas Wein draußen gesessen bin. Und in der ich einfach still sein konnte. Das ist mir auch deshalb gelungen, weil ich drei Wochen lang kein Buch und keine Zeitschrift gelesen habe. Und das Handy habe ich fast nur zum Fotografieren in die Hand genommen. Mir hat es gutgetan, in ein leeres Gästezimmer zu kommen und aus dem Koffer zu leben und mir um Äußerlichkeiten wenig Gedanken zu machen.

Gleichzeitig habe ich gemerkt, dass ich in dieser Zeit Dinge intensiv wahrgenommen habe, Farben und Düfte zum Beispiel. Ich erinnere mich an Lavendel, Pinien, Salzluft, an frische Tomaten, Aprikosenmarmelade mit Ingwer, Hagebutten im Abendrot. Das Licht in einer leeren Kirche am Morgen. Es war fast wie eine heilige Zeit.

Ich glaube, ich habe etwas von dem geahnt, was Mystiker meinen, wenn sie sagen: In jedem von uns ist ein Raum der Stille. Wenn wir es schaffen, den zu finden, dann können wir zur Ruhe kommen. Und etwas vom inneren Frieden spüren, auch wenn wir unruhig sind oder Sorgen haben.

So ein Raum der Stille braucht aber auch Sorgfalt und Pflege; das ist im Alltag natürlich nicht ganz einfach. Da, wo ich wohne, ist es ganz und gar nicht still; rund um die Uhr höre ich den Lärm von der Autobahn oder die Flugzeuge. Und wenn man Familie hat, da geht es nicht, einfach alles zu lassen und still zu sein. Trotzdem versuche ich, mir ein wenig von dem Gefühl eines stillen Raums in mir zu bewahren.

Ich kann mir kleine Auszeiten suchen, wo das möglich ist. Ich werde das auch morgen früh wieder tun, denn für mich ist der Morgen dazu die beste Zeit, solange noch Ruhe im Haus ist. Nach dem Aufstehen schaue ich nicht als erstes aufs Handy und ich schalte nicht gleich das Radio ein. Ich will die Welt um mich herum zuerst mit den Sinnen wahrnehmen und deshalb beginnt mein Tag vor der Tür, im Garten. Die kühle Morgenluft auf der Haut tut mir gut. Katze und Hase bekommen die ersten Streicheleinheiten und dann genieße ich schweigend den ersten Kaffee. Das ist meine heilige Zeit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38434
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