SWR4 Abendgedanken

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25SEP2023
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Ein großer Friedensstifter hat heute Namenstag. Der heilige Nikolaus von Flüe. Mit dessen Lebensgeschichte hatte ich lange meine Schwierigkeiten. Weil ich den Eindruck hatte, er folgt dem Ruf Gottes auf Kosten seiner Familie.

Kurz zusammengefasst geht seine Lebensgeschichte so: Nikolaus von Flüe hat Mitte des 15. Jahrhunderts in der Schweiz gelebt. Er war Bergbauer und gleichzeitig engagiert als Richter und Politiker. Er und seine Frau Dorothea hatten zusammen zehn Kinder und waren ein gutes und glückliches Paar. Und dann plötzlich die Wende: Nikolaus verlässt Frau und Kinder und baut sich eine Hütte in einer Schlucht. Er glaubt, dass Gott ihn ruft. Deshalb will er als Einsiedler leben und auf diese Weise Gott und den Menschen dienen. Das gelingt ihm tatsächlich. Viele Menschen kommen zu ihm und fragen um Rat, auch Politiker und Staatsmänner. Der Frieden ist sein Thema, Streitigkeiten schlichten. Das kann er, weil er die Gabe hat, sich in andere hineinzuversetzen; und er hat immer gut verstanden, wie weit jemand gehen kann. Sein Ansatz ist, „es niemals bis aufs Äußerste ankommen zu lassen“.[1] Das ist auch heute ein guter Rat. Am Ende jedenfalls ist es Nikolaus sogar gelungen, einen Bürgerkrieg in der Schweiz zu verhindern. Und die Schweizer haben ihn deshalb zu ihrem Nationalheiligen erklärt.

Wenn ich die Geschichte des Klaus von Flüe so lese, dann denke ich zunächst: Der ist einfach gegangen! Er hat sich rausgenommen, sich selbst zu verwirklichen. Und Frau und zehn Kinder hat er sitzen lassen. Da kann man leicht erfolgreich sein, wenn man alles stehen und liegen lässt – selbst wenn Gott einen dazu ruft.

Aber ganz so einfach war es dann doch nicht. Nikolaus hat mehrere Jahre mit dieser Entscheidung gerungen. Und seine Frau Dorothea hat gespürt, dass er unruhig war, dass er gelitten hat. Als Nikolaus schließlich klar war, dass er Hof und Familie verlassen muss, hat er Dorothea gebeten, ihm dafür ihr JA-Wort zu geben. Sie hat es getan, sie hat ein zweites Mal JA zu ihrem Mann gesagt.

Wie stark war diese Frau! Wie groß muss ihre Liebe gewesen sein, dass sie ihren Mann frei gibt. Dass sie verzichtet. Und dass sie den Willen Gottes an die erste Stelle setzt und sich selbst zurücknimmt.

Dorothea hat ihren Mann in Frieden gehen lassen. In Frieden und in Liebe. Für sie war dieses zweite JA ganz sicher eines, das sehr weh getan hat. Doch ich glaube: Ohne dieses JA, hätte Nikolaus von Flüe selbst keinen Frieden gefunden. Nur so war es ihm möglich, sich dann auch für den Frieden zwischen anderen einzusetzen.

Deshalb gehört zum Gedenktag des heiligen Nikolaus von Flüe heute seine für mich mindestens genauso heilige Frau Dorothea.

 

 

 

[1]https://50plusmagazin.ch/interview-mit-schriftsteller-pirmin-meier-ueber-niklaus-von-fluee/

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38430
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