SWR1 3vor8

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03SEP2023
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Sie müssten ihm schon erlöster aussehen, die Christen, damit er an ihren Gott glauben könne. Das schreibt einmal der Philosoph und Religionskritiker Friedrich Nietzsche. Er trifft damit einen wunden Punkt. Denn Hand aufs Herz. Das Bild eines gelösten Menschen voll von überschwänglicher Freude ist vielleicht nicht das Erste, was vielen zu einem Christen oder einer Christin einfällt. Christ zu sein, das hat in der öffentlichen Wahrnehmung leider viel öfter diesen faden Beigeschmack von Freudlosigkeit. Von Rigorismus, Enge und Verbot. Ja, manchmal geradezu von einem regelrechten Wunsch zu leiden. Je mehr, desto besser.

Die Bibelstelle, die heute in den katholischen Gottesdiensten zu hören ist, ist daran vielleicht nicht ganz unschuldig. Denn da spricht Jesus davon, worauf es für einen echten Jünger, eine echte Jüngerin ankommt. Und dann heißt es da: Wer hinter mir hergehen will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden. Zugegeben, das ist ziemlich starker Tobak. Und zahlreiche fromme Menschen haben das wohl so verstanden, dass sie Jesus dann am nächsten sind, wenn es ihnen am dreckigsten geht. Dass ein wahrer Jesusanhänger die Last des Kreuzes so richtig spüren muss und sein eigenes Leben nicht so wichtig nehmen darf. Christenleben – Opferleben. So lässt sich das auch verstehen. Und doch will ich diese Sätze nicht als Lobgesang auf das Leiden lesen. Nicht als Aufforderung, als Christ nun bitteschön das Kreuz zu suchen. Ein sorgenfreies, glückliches Leben eher verdächtig zu finden, anstatt Gott dafür von Herzen zu danken.

Die entscheidende Frage ist doch, was das heißen kann, dieses Kreuz. Wenn ich Jesus richtig verstehe, dann geht es ihm darum, konsequent zu sein, gradlinig zu bleiben. Für die Werte, die mir wichtig sind, auch einzustehen. Nicht jeder Stimmung hinterher zu laufen. Rückgrat zu zeigen. Auch dann, wenn es rau und ziemlich ungemütlich wird. Das trifft etwa auf Menschen zu, die sich aus einer tiefen christlichen Überzeugung für Schwächere einsetzen, obwohl sie dafür bedroht und angefeindet werden. Ich denke aber auch an Bürgermeisterinnen und Landräte, die standhaft demokratische Ideale verteidigen, auch wenn ihnen der populistische Gegenwind brutal ins Gesicht bläst. An Regimegegner in Russland, die für Mitmenschlichkeit lieber ins Gefängnis wandern, als sich schweigend wegzuducken. Nach dem Kreuz muss ich nicht suchen. Es kann urplötzlich im Weg stehen. Aber dann muss ich mich entscheiden, ob ich es auf mich nehmen will und dem Weg Jesu folge.

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