Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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05SEP2023
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„Die Füchse haben ihre Höhlen, die Vögel ihre Nester, nur der Menschensohn hat keinen Ort, wohin er sein Haupt legen könnte“, klagt Jesus einmal im Matthäus-Evangelium (8,20). Er muss etwas von der Not der Obdachlosigkeit verspürt haben, auch wenn er diese als jüdischer Wander-Rabbi vermutlich freiwillig gewählt hat. Wie mag es denen ergehen, denen zwangsweise das Dach überm Kopf weggenommen wird?

Ich denke an Martha, eine 75-jährige Witwe, die man nach über 40 Jahren wegen Eigenbedarf aus ihrer Wohnung hinausklagen will. Sie hat ihr Leben lang in Schicht und Akkord gearbeitet und sich so zwar keine üppige, aber doch einigermaßen ausreichende Rente erworben. Und findet dennoch keine Wohnung. Seit bald einem Jahr eine Absage nach der anderen. Einmal hat ihr die Stadt vor der Nase eine bezahlbare Wohnung weggeschnappt, um Flüchtlinge darin unterzubringen. Vermutlich zieht Martha demnächst nach Brandenburg, von dort bekam sie günstige Angebote. Dann aber müsste sie in ihrem Alter noch einmal aufbrechen in eine neue und für sie unbekannte Welt. 

Die Wohnungsnot kommt nicht von ungefähr: Im neo-liberalen Wahn der achtziger Jahre wurde der soziale Wohnungsbau heruntergefahren und das Grundrecht auf Wohnen dem Markt überlassen. Der hat das Angebot verknappt und so die Preise hochgetrieben. Nun haben wir kaum noch bezahlbaren Wohnraum für Normalverdiener. Und nach wie vor werden ganze Wohnsiedlungen an Investmentfonds und Immobilienhaie verhökert. Die fackeln nicht lange, ekeln die Mieter raus und verwandeln einfache Wohnungen in teure Appartements. In manchen Städten liegen bebaubare Grundstücke brach, weil ihre Besitzer auf noch höhere Grundstücks-Preise spekulieren.

Ich appelliere heute an Vermieter, bedürftigen Wohnungssuchenden entgegenzukommen und nicht jeden Preis mitzunehmen, den der angespannte Markt bietet. Die Politik aber muss endlich mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen, auch wenn das kostet. „Wohnen“ ist ein Menschenrecht. Das haben die Staaten in der UN-Charta unterschrieben. Dann müssen sie auch dafür sorgen, dass alle ein Dach überm Kopf haben.    

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38348
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