Anstöße sonn- und feiertags

Anstöße sonn- und feiertags

06AUG2023
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Heute vor 91 Jahren ist in Köln die erste Autobahn eröffnet worden. Seitdem ist das Autovirus in Deutschland auf dem Vormarsch. Über 60 Millionen Kraftfahrzeuge fahren und stehen jetzt gerade in Deutschland herum. Gut für die Wirtschaft und die Automobilindustrie, schlecht für die Umwelt, die Gesundheit und das Bild in den Innenstädten. Wir versinken in Blech. Und sind selbst schuld daran.

Trotz hoher Kosten, Verkehrschaos und Parkplatzmangel: Ich fahre seit Jahrzehnten permanent mit dem Auto durch die Gegend. Streng genommen hätte ich öffentliche Verkehrsmittel nutzen können. Hab‘s aber nicht getan.

Weil ich eben vom Virus Auto infiziert bin. Der Verkehrswissenschaftler Hermann Knoflacher hat gesagt, dass dieses Autovirus sich im Gehirn festsetzt und die Wahrnehmung der Menschen völlig verändert. Ein normaler Mensch würde unseren derzeitigen Lebensraum als total verrückt bezeichnen. Wir ziehen uns in abgedichtete Häuser mit Lärmschutzfenstern zurück und bauen in die Autos Feinstaubfilter ein. Denn der Krach, der Staub und die Abgase sollen gefälligst draußen bleiben. Dabei produzieren wir das alles selbst.

Das Autovirus hat die Kontrolle über das Stammhirn übernommen. Vom zweibeinigen Menschen bin ich zum vierrädrigen Autofahrer mutiert. Als Autofahrer habe ich Macht und Kraft, bin schnell und unabhängig. Der Preis dafür ist hoch. Und damit meine ich nicht nur meinen Geldbeutel. Aber da ich ja vom Virus infiziert bin, ist mir das egal.  Ich sehe die Welt nur noch durch die Brille des Autofahrers.

Heilung gibt es wohl nur durch gezielte Entwöhnung. Der Autofahrer in mir muss wieder Mensch werden. Wenigstens ab und zu. Damit er merkt, dass es auch anders geht. Heute am Sonntag, ginge das doch ganz gut. Sogar auf dem Land, wo zugegebenermaßen viele Menschen echt vom Auto abhängig sind. Vor 50 Jahren während der ersten Ölkrise habe ich das miterlebt.  Vier autofreie Sonntage. Das hatte sogar einen gewissen Spaßfaktor. Seit vielen Jahren gibt es die Aktion „Autofasten“ der Kirchen. Da geht es darum, bewusst auf andere Verkehrsmittel umzusteigen, um mal die Perspektive zu wechseln.

Deutschland - Autoland. Das klingt ziemlich verräterisch. Was wir wirklich brauchen ist ein Land für Menschen. Der Sonntag ist ein guter Tag um das einmal zu üben. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38201
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