Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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29JUL2023
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Ich hab‘s endlich geschafft. Ich mache wieder regelmäßig Sport. Das hört sich jetzt vielleicht banal an. Aber für mich war‘s ein langer Weg. Viele Jahre habe ich das nämlich nicht hinbekommen - vom Sofa aufzustehen und loszulaufen. Es gab immer einen Grund, warum das nicht ging. Es hat mir keiner den Rücken freigehalten, mit den Kindern und im Haushalt war so viel zu organisieren, und niemand ist vorbeigekommen, der mich zum Radfahren oder joggen einfach abgeholt hätte.

Ich hatte immer darauf gesetzt, dass „ein anderer“ es mir möglich macht, Sport zu treiben.

Von so einer Situation erzählt schon die Bibel.

Jesus kommt an den Teich Betesda in Jerusalem. An diesem Teich liegen sehr viele kranke Menschen. Einer von ihnen seit 38 Jahren. Als Jesus das erfährt geht er zu dem kranken Mann hin und fragt ihn: „Willst du gesund werden?“ Eine seltsame Frage, denn an dem Teich wollen alle gesund werden. Das Wasser dort soll heilende Wirkung haben. Aber immer nur dann, wenn es sich bewegt, also wenn die Quelle des Teichs zu sprudeln beginnt. Doch nur wer dann auch noch als erster im Wasser ist, kann geheilt werden. Unter diesen Vorzeichen stellt Jesus also die Frage: „Willst Du gesund werden?“.

Der Mann sagt nicht einfach „Ja, ich will gesund werden“, er erzählt Jesus einen halben Roman: Ich hab keinen, der mich zum Wasser bringt, wenn es sich bewegt. Und außerdem ist immer jemand anderes schneller als ich. Niemand unterstützt mich bei diesem Wettlauf.

Jesus geht überhaupt nicht auf seine Erklärungen ein, sondern befiehlt dem Kranken kurz und knapp: „Steh auf, nimm deine Matte und geh umher!“ Und genau das tut der Mann. Er steht tatsächlich auf.

Was ist da passiert?

Der Mann war wahrscheinlich gar nicht körperlich krank. Er hatte ein anderes Problem. Er selbst hat nichts dafür getan, dass er gesund wird. Vielleicht hat er auch nicht daran geglaubt, dass er etwas tun kann. Und das ist für mich der Moment, wo Heilung in der Geschichte passiert: Jesus traut dem Kranken zu, dass er aufstehen kann. Und weckt damit Kräfte, die wohl verschüttet waren. Noch ein zweiter Aspekt ist wichtig: Diese Geschichte ist für mich ein Appell an meine, an unsere eigene Verantwortung und nicht zuerst nach denen zu rufen, die uns etwas ermöglichen sollen. Das gilt im Privatleben genauso wie für Dinge in der Schule, in Kirche oder Politik. Ich muss schauen, was ich selbsttun und beitragen kann.

Aufzustehen und Sport zu machen – das kostet mich immer noch jedes Mal Mühe, aber es wird langsam gut.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38100
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