SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

25JUL2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Vor einigen Wochen habe ich den Evangelischen Kirchentag in Nürnberg besucht. An einem Morgen bin ich in einem Saal gewesen, der brechend voll war, vielleicht 500 Menschen, dicht an dicht, und ich mittendrin. Das Besondere: Im Saal war nicht nur das übliche Kirchentagspublikum, sondern eine auffällig bunte Mischung unterschiedlichster Typen.  Da habe ich ein paar ältere weiße Männer wie mich selbst gesehen. Aber eben auch viele Menschen anderer Hautfarben. Und dann erst das Podium: ein Fest der Vielfalt. Und von ihnen allen die Auffälligste, die Strahlendste: die Frau mit dunkler Hautfarbe und pinkem Hosenanzug, eine der bekanntesten Persönlichkeiten des ganzen Kirchentages – Sarah Vecera. Insta-Queen, erfolgreiche Autorin, vor allem: Anti-Rassismus-Kämpferin, und der Star dieser Veranstaltung.

Ihr Thema: Kirche als „safe space“, als „sicherer Ort“ – für queere Menschen und für Menschen verschiedener Hautfarben, für People of Colour.  „Ja“, so das Fazit von Sarah Vecera, „leider gibt es auch in der Kirche viel Rassismus und viel Queer-Feindlichkeit. Daher ist es wichtig, dass die Kirche ein sicherer Ort für alle wird, ein ‚safe space‘. Und um das zu werden, muss die Kirche vor allem auch noch etwas Anderes sein: nicht nur ein safe space, sondern auch ein ‚brave space‘ – ein Ort des Mutes. Ein Ort, an dem wir zusammen mutig sind.“ Diese Formulierung ist mir hängen geblieben: a brave space. Ein Ort, an dem wir uns trauen, das zu sagen, was wir wirklich meinen. Ein Ort, an dem wir uns trauen, die allzu Sicheren aufzuschrecken, um auch den Suchenden sichere Räume zu bieten. Und denen, die diskriminiert werden. Und vor allem: Wir sollten ein Ort sein, an dem wir uns trauen, mit ganz neuen Ideen und auf ganz neue Weise Kirche zu sein. Gerade so sind wir Kirche Jesu Christi.

Seitdem überlege ich, wie ich in meinem Umfeld dazu beitragen kann, mutiger zu sein. Und anderen Mut zu mehr Mut zu machen. In der Kirche und außerhalb der Kirche. Vielleicht lasse ich meinen Arbeitskollegen zehn Minuten lang seine Sicht der Dinge erzählen, auch wenn er ganz anderer Meinung ist als ich? Und ich unterbreche ihn dabei nicht? Oder ich höre mir einen Podcast von einer Person an, die mir von ihren Diskriminierungserfahrungen erzählt? Und dann gehe ich zu meiner Kirchengemeinde und beginne, mit den Verantwortlichen vor Ort darüber zu reden, wie wir für unsere Gemeinde offener werden können, glaubwürdiger. Eben: ein echter brave space. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38088
weiterlesen...