SWR Kultur Wort zum Tag

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20JUL2023
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Corona ist vorbei. Zum Glück. Aber bei mir ist auch Positives übriggeblieben. Selten habe ich so deutlich gesehen, wie sehr wir Menschen auf andere angewiesen sind. Damals gab es abends Applaus für die Ärzte, das Pflegepersonal, die Lkw-Fahrer und die Angestellten in den Supermärkten. Sie machen ihre Arbeit und leisten dabei Großes, damit wir alle gesund leben können und rundum versorgt sind.

Zwei, die ich gerne mag, beeindrucken mich dabei besonders: An unserer Schule haben wir ein Hausmeisterehepaar in den Ruhestand gehen lassen müssen, die einfach immer und rundum für alle da waren. Die Frau hat oft gesagt: „Wir sind Teil der Gemeinschaft. Da ist das selbstverständlich, was wir machen.“ Bei den beiden gab es nie Dienst nach Stechuhr. Im Gegenteil, wenn ein Schüler etwas verloren hatte, haben sie auch nach Feierabend das Schulhaus aufgeschlossen, damit er suchen kann. Sie haben von sich aus Probleme gesehen, kaputte Gegenstände repariert oder entsorgt. Sie haben immer im Voraus mitgedacht, was besonders zu beachten ist, wenn eine Veranstaltung bevorsteht. Dieses Sorglospaket wissen wir erst jetzt richtig zu schätzen, wo wir es nicht mehr haben. Wir vermissen sie und wenn sie uns besuchen kommen, wird klar, dass sie immer noch zu uns gehören.

Sie haben das Wohl der Schulgemeinschaft ernst genommen und sind persönlich dafür eingestanden. Als zum Beispiel ein Umbau ins Haus stand und sie deshalb ihre Dienstwohnung räumen mussten, sind sie ohne Murren in eine Ersatzwohnung gezogen, die unter Standard war. Erst als ich nachgefragt habe, habe ich gemerkt, dass sie jetzt viel weniger Platz haben. Für die beiden war klar, dass sie zum Wohl der Gemeinschaft für sich selbst einen Nachteil in Kauf nehmen. Dass jemand mit dieser Einstellung so ernst macht, finde ich selten und deshalb beeindruckt es mich so. Es gibt dieses Motto „Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an alle gedacht“. Das finde ich falsch, weil es egoistisch ist. Richtig müsste es heißen: „Wenn jeder an die anderen denkt, ist am Ende an alle gedacht“.

Wenn wir nach diesem Motto zum Beispiel mit älteren Leuten umgehen würden, würde dies das Altwerden auch für mich einfacher machen. Ich werde manchmal schnell ungeduldig, wenn ältere Menschen Zeit brauchen um sich zu orientieren, im Straßenverkehr zum Beispiel. Wenn ich da geduldiger bin, kann ich mithelfen, dass wir alle ein Verständnis dafür haben, dass man als älterer Mensch Zeit anders erlebt. Das wäre nur ein kleiner Baustein für eine Gemeinschaft, in der sich jeder wohl und sicher fühlen kann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38056
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