SWR1 Begegnungen

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16JUL2023
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Carla Olbrich Foto: Manuela Pfann

 … und mit Carla Olbrich. Ich treffe die junge Frau auf einem Acker. Sie hackt den trockenen Boden auf, wässert und bindet Tomaten hoch. Dieser Acker auf der Bundesgartenschau in Mannheim heißt „Weltacker“. Und Carla ist die Gärtnerin. Die 27-Jährige kümmert sich um eine Fläche von 2000 Quadratmetern. So groß ist ein Weltacker. Diese Zahl ist wichtig, weil darin eine Botschaft steckt.

Die 2000 Quadratmeter kommen daher zustande, indem wir die weltweite Ackerfläche durch die Anzahl der Menschen teilen. Und da, wenn wir es gerecht verteilen würden, hätte jeder 2000 Quadratmeter zur Verfügung.

Ich ahne schon, dass die Fläche nicht gerecht verteilt ist. Sonst hätte ja jeder das, was er zum Leben braucht.

Durch unseren Lebensstil verbrauchen wir dreimal so viel, wie uns eigentlich in Deutschland zur Verfügung steht. Und diese Anbauflächen fehlen natürlich wieder in anderen Ländern, wo für die örtliche Bevölkerung nichts angebaut wird, sondern unser Kaffee oder das Soja, was unsere Tiere gefüttert bekommen.

Carla führt mich über „ihren“ Acker in Mannheim und ich merke mit welcher Begeisterung und mit wieviel Wissen sie mir Zusammenhänge erklärt und mir zeigt, was sie wo angebaut hat. Alles ist auf dem Weltacker genau so bepflanzt, wie es den Anbauverhältnissen auf der Welt entspricht. Es gibt kleine Flächen, da wächst zum Beispiel Sesam, auf einer mittelgroßen blühen gerade Erdnusspflanzen; und dann ist da die ganz große Fläche.

Die Hälfte der weltweiten Ackerflächen ist mit Getreide bepflanzt. Darunter fällt Mais, Hirse, Weizen und Gerste und zum Beispiel auch der Reis.

Ich lerne noch etwas: Bis auf den Reis wird der größere Teil des Getreides an Tiere verfüttert oder man macht Treibstoff oder Energie daraus. Das hilft also nicht gegen den Hunger auf der Welt. Ich gebe zu, dass ich das in dieser Deutlichkeit bisher nicht vor Augen hatte.

Diese globalen Zusammenhänge auf ein menschliches Maß runterzubrechen, also das macht es irgendwie greifbarer und zeigt so die eigene Verantwortung auf oder zeigt auf, dass alles, was ich irgendwie esse, früher mal einen Platz irgendwo hatte.

Wie sie das meint, wird mir klar, als wir vor den sogenannten Flächenbuffets stehen. Das sind Holzkästen, ähnlich wie Hochbeete. Da werden alle Zutaten angepflanzt, die für ein bestimmtes Gericht benötigt werden.

In unserem Fall haben wir zum Beispiel Pizza Margherita und die Pizza Margherita besteht ja aus Mehl, aus dem Käse, aus der Tomatensoße und aus Olivenöl. Und all das, was in einer Pizza ist, braucht Platz auf einem Acker.

Fast eineinhalb Quadratmeter für eine einzige Pizza! Ganz schön viel, finde ich. Was ich esse, ist also wie ein Auftrag an den Landwirt. Er muss seine Flächen so bebauen, wie mein Konsum es erfordert.

 

Carla Olbrich ist die Gärtnerin des sogenannten Weltackers auf der Bundesgartenschau in Mannheim. Auf diesem Weltacker wird deutlich: wie ich lebe und was ich verbrauche, führt dazu, dass Nahrungsmittel auf der Welt ungerecht verteilt sind. Weil ich und die meisten in den Industrieländern zu viel Ackerfläche in Anspruch nehmen. Für Carla ist deshalb wichtig:

Die Verbindung wieder herzustellen zwischen den Produkten, die im Supermarkt liegen, und der Landwirtschaft, die irgendwie draußen vor unseren Haustüren stattfindet. Ich glaube, diese Verbindung ist sehr stark beschädigt oder gar nicht mehr vorhanden.

Carla versteht was von Landwirtschaft. Die junge Frau hat schon in vielen Betrieben gearbeitet und gerade ihr Studium „ökologische Landwirtschaft“ abgeschlossen. Im Supermarkt kauft sie nur ganz selten ein.

Ich weiß bei jedem Produkt, was da irgendwie gerade schiefläuft

Sie denkt an Gemüse aus Spanien oder Italien, riesige Gewächshäuser, enormer Wasserverbrauch und teils unwürdige Arbeitsbedingungen. Was sie sich wünschen würde wäre,

dass wir im Supermarkt nicht stehen müssen und sagen müssen: Das eine ist das Gute und das andere ist irgendwie nicht das Gute.Dinge, die irgendwie unsere Welt zerstören - warum sollten wir die noch haben?

Also kein Billig-Fleisch mehr, und Gemüse und Obst nur aus der Region und dann, wenn Saison ist.
Doch was ist mit der Tatsache, dass viele Menschen wenig Geld haben und deswegen angewiesen auf günstige Lebensmittel?

Dann müssen wir dafür sorgen, dass die genug Geld haben, um sich das zu leisten und nicht günstige Lebensmittel auf den Markt zu bringen. Das Problem muss woanders gelöst werden.

Carla hat eine klare Haltung; und gleichzeitig erlebe ich sie als Realistin.

Nichtsdestotrotz darf man sich selber da nicht kaputt machen und auch nicht die ganze Verantwortung nur bei sich selber suchen und denken, ich muss 100 Prozent nachhaltig leben und dann rette ich damit die Welt.

Es braucht vor allem politische Weichenstellungen, da sind wir beide uns einig. Damit die Situation auf der Welt irgendwann vielleicht so aussieht:

Kleinbäuerlich mit viel Wertschätzung den Menschen gegenüber, die für uns Nahrungsmittel anbauen, die davon leben können, nicht ausgebeutet werden. Und eine Landwirtschaft, in der auch Tiere ihren Platz haben, in der viele Insekten ihren Platz haben, die sehr vielfältig ist, wo deutlich weniger Tierfutter angebaut wird und deutlich mehr Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte. Das ist so mein Traum.

Auch wenn dieser Zustand im Moment weit weg scheint - ich bewundere Carla, sie ist so jung und trotz allem so ansteckend optimistisch - und hackt und wässert einfach weiter. Und setzt darauf, dass wir alle zusammen verstehen, dass wir etwas ändern müssen.

Ich würde jetzt einfach mal sagen: Ja, das ist möglich. Weil, wenn ich denken würde, es wäre nicht möglich, dann wüsste ich nicht, ob ich noch weitermachen würde. Deswegen: Ja, ich will, dass es möglich ist. Und ich glaube ganz, ganz fest daran. Ja, wir schaffen das!

 

Link:

Informationen zum Bildungsprojekt „Weltacker“ in mehreren Städten in Deutschland:
https://www.2000m2.eu/de/

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38049
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