SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

18JUL2023
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Vorsichtige Menschen wissen schon lange: Es ist gefährlich, sich zu früh zu freuen. Morgens fahre ich mit dem Fahrrad noch gut gelaunt zur Arbeit und freue mich über den schönen Sommertag. Aber abends liegen mir die Pommes aus der Kantine schwer im Magen und der Rücken schmerzt von der langen Büroarbeit. Darum habe ich schon als Kind gelernt: Du sollst den Tag nicht vor dem Abend loben.

Es gibt jemanden, der das anders sieht: Karl Rahner. Er ist ein großer Theologe des 20. Jahrhunderts! Er stammt aus Freiburg. Als Theologieprofessor hat Karl Rahner Kardinäle und Päpste beraten und sich für den Frieden in Europa engagiert. Er sagt: Unbedingt sollst Du den Tag vor dem Abend loben! Lobe den Tag von der ersten Minute an. Wer mit Vertrauen und Zuversicht in den Tag geht, der steigert seine Chancen, dass es am Abend auch etwas zu loben gibt. Denn mit dem Tag ist es wie mit Kindern: Sie werden das, wofür man sie hält.

Darum bin ich jetzt auch jemand, der schon morgens davon ausgeht, dass heute ein guter Tag werden kann. Und dabei kann ich mich immer auf Karl Rahner berufen.

Er empfiehlt, den neuen Tag mit diesen Worten zu empfangen:

Sei herzlich willkommen, du kleiner armer Tag, ich werde dich zu einem kleinen

Kunstwerk machen, zu einem seligen ernsten Spiel des Lebens, worin alles mitspielt:

Gott, die Welt und mein Herz.

Und am Ende fragt Karl Rahner: Meint ihr nicht, es gibt am Abend etwas zu loben, wenn wir so den Tag beginnen?

Die Worte, die Rahner wählt, sind vielleicht etwas aus der Mode. Ich würde es anders ausdrücken, was ich mir für den Tag wünsche. Doch die Idee dahinter überzeugt mich: Jeder Tag kann ein kleines Kunstwerk werden. Wenn ich schon um kurz vor acht diesen Tag zum ersten Mal lobe und ihm viel zutraue. Darum sage ich auch heute: Herzlich willkommen, Du neuer Tag.  

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