SWR2 Wort zum Tag

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10JUL2023
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Das Glück ist manchmal für kleines Geld zu haben. Ich habe es ausprobiert. Mit meiner Enkelin. Sie ist ein großer Fan von Seifenblasen, und so habe ich ein kleines Döschen Seifenblasen gekauft, für einen Euro und 98 Cent. Weil meine Enkelin nicht gerade die Geduldigste ist – das hat sie mit ihrer Omi gemein – musste ich sofort und auf der Stelle die ersten Seifenblasen produzieren. Das war mitten in der Fußgängerzone, und die Kleine ist jauchzend den kleinen und großen Seifenblasen hinterhergelaufen. Ich weiß gar nicht, wann ich zuletzt so viele lächelnde Gesichter gesehen habe. Mitten im hektischen Treiben der Fußgängerzone gab es plötzlich eine Insel der Freude, der unbeschwerten Leichtigkeit. Die bunt schillernden Seifenblasen schwebten über dem Asphalt, eine flog sogar richtig weit nach oben Richtung Himmel.

„Wer ist der Größte im Himmel?“ haben die Jünger Jesus einmal gefragt. Jesus hat dann ein Kind gerufen und gesagt: „Wenn ihr nicht umkehrt und wie dieses Kind werdet, könnt ihr den Himmel nicht erben.“ An diesem Tag in der Fußgängerzone habe ich verstanden, was Jesus damit gemeint hat. Es ist einfach himmlisch, wie Kinder sich der Freude am Leben, der Leichtigkeit eines Augenblicks unbeschwert hingeben können, wie sie jauchzen können über die Schönheit einer Seifenblase. Leider ist die Sache mit der Umkehr nicht so einfach, mir scheint sogar: Sie ist unmöglich. Ich bin kein Kind mehr. Und bei Seifenblasen denke ich zuerst an zerplatzte Träume. In der Tat war die Seifenblase in der humanistischen Literatur ein populäres Motto für die Vergänglichkeit. Ein Glasfenster aus dem 16. Jahrhundert zeigt zwei mit Seifenblasen spielende Kinder unter der Überschrift: Sic transit gloria mundi – so vergeht die Herrlichkeit der Welt.

Das ist sicher alles richtig und eine wertvolle und kluge Mahnung. Zugleich macht sie etwas madig, was ich mir nicht mehr madig machen lassen möchte: Die Freude am schillernden Augenblick, an der Freude, die ausstrahlt. Deshalb möchte ich es umgekehrt angehen und die Perspektive nutzen, zu der Jesus einlädt – und die mir meine Enkelin vorlebt! Es gibt wunderschöne, schillernd-glänzende Augenblicke im Leben, die zwar vergänglich, aber trotzdem oder vielleicht gerade deshalb kostbare Glücksmomente sind. Manchmal ereignen sie sich mitten in Fußgängerzonen.

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