Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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08JUL2023
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„Es ist so wichtig, freundlich miteinander umzugehen. Das muss man den Leuten sagen!“ Das hat mir eine alte Dame mit auf den Weg gegeben, die ihren neunzigsten Geburtstag gefeiert hat. Ihr Gesicht ist von vielen Falten durchzogen, der Körper schon mitgenommen von den vielen Jahren. Aber ihre Augen sind lebendig, ihre Stimme klar. Und sie will etwas weitergeben, was sie in ihrem langen Leben verstanden hat. „Es macht einen Unterschied, wie wir miteinander umgehen“, hat sie gesagt. „Es macht einen Unterschied, wenn wir freundlich miteinander sprechen, wenn wir den Kontakt mit den Nachbarn pflegen… Jeder kann da etwas beitragen.“ Und, hat sie hinzugefügt: „Ich kann ja sonst nicht mehr viel machen in meinem Alter. Aber damit kann ich immer noch etwas bewirken!“

Ich finde, sie hat recht. Freundlich zu sein macht einen Unterschied. Und zwar: wirklich freundlich zu sein, zugewandt. Den anderen in den Blick nehmen. Das ist etwas ganz anderes als eine aufgesetzte Freundlichkeit, die sich Leute antrainiert haben, um gut anzukommen oder bloß nirgends anzuecken. Die meine ich nicht. Aber es gibt Menschen, die strahlen eine Freundlichkeit aus, die von innen kommt. Selbst dann, wenn sie gar nicht viel sagen oder tun, fühle ich mich bei ihnen und willkommen. Und das tut mir gut.

So eine tiefe Freundlichkeit, die muss auch Jesus ausgestrahlt haben. Er hat sein Gegenüber gesehen – und das haben die Menschen gemerkt. In ihm, so steht es in der Bibel, hat sich „die Güte und Menschenfreundlichkeit“ (Titus 3,4) Gottes gezeigt. Auch dadurch war die Begegnung mit ihm für viele Menschen so heilsam.

Menschenfreundlich zu sein – das ist auch eine Gabe, ein Talent, ein Segen. Die alte Dame, die ich zu ihrem Geburtstag besucht habe, hat diese Gabe. Man fühlt sich bei ihr wohl. „Ich mag einfach Menschen“, hat sie lachend gesagt. „Und Tiere. Und besonders Kinder. Von denen bin ich immer total hingerissen.“

Eine Freundlichkeit, die von innen kommt: Ich finde, das ist eine große Gabe. Und wer sie hat, darf sich glücklich schätzen. Denn ich glaube: Durch solche Menschen wird etwas sichtbar von Gottes Menschenfreundlichkeit.

Aber ich glaube: Freundlichkeit ist nicht nur eine Frage der Begabung. Auf andere zugehen, sie ernst nehmen, versuchen, sie zu verstehen, hilfsbereit sein, darum kann man sich auch bemühen. An anderen Menschen auch das Positive sehen – und ihnen das auch manchmal zu sagen, das kann man üben. Der alten Dame auf jeden Fall ist es ein großes Anliegen, dass wir alle es versuchen. „Das muss man den Leuten sagen“, findet sie. Ich gebe es gerne weiter.

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