Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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15JUN2023
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In wenigen Tagen sind vier große Kirchenglocken wieder zuhause. Nach über 80 Jahren treten sie die Heimreise an. Bis vor kurzem haben diese Glocken noch in Kirchengemeinden in Württemberg geläutet, zwei davon in Esslingen am Neckar. Nun geht es über 1000 Kilometer in Richtung Osten. Vier Kirchengemeinden in Polen sind das Ziel. Dort werden die Glocken mit großer Freude erwartet. Sie kehren als Friedensglocken zurück.

Genau so heißt das Projekt der katholischen Kirche in Württemberg, „Friedensglocken für Europa“. Im Rahmen dieser Initiative werden in den kommenden Jahren rund zwei Dutzend Glocken zurückgegeben; alle an Gemeinden in den ehemaligen deutschen Ostgebieten.

Die Nationalsozialisten hatten dort im zweiten Weltkrieg zehntausende Glocken von Kirchtürmen geraubt. Die meisten wurden eingeschmolzen und zu Waffen verarbeitet. Nur einige wenige Glocken sind nach Kriegsende erhalten geblieben. In der Zeit des „Kalten Krieges“ konnten sie aber nicht in die Heimat zurückgebracht werden. Und so landeten sie schließlich als so genannte Leihglocken auch in Kirchtürmen im Südwesten. Dort, wo ebenfalls Glocken nach dem Krieg fehlten, auch in etlichen katholischen Kirchen, die nach dem Krieg neu gebaut wurden – für die vielen Heimatvertriebenen aus Osteuropa. Woher diese Glocken ursprünglich stammten, das wusste man damals nicht.

Heute ist das klar. Weil die Projektgruppe viele Jahre geforscht hat und in allen Glockentürmen in Württemberg nach Hinweisen auf diese Glocken aus Osteuropa gesucht hat. Manche von ihnen sind beschriftet und graviert und haben wichtige Hinweise gegeben. So wissen jetzt beispielsweise die Esslinger Katholiken, dass ihre beiden Glocken richtig alt sind, dass sie der Gottesmutter Maria geweiht sind und im 18. Jahrhundert in Danzig und im damaligen Königsberg gegossen wurden.

Während die schweren Glocken nun nach Polen unterwegs sind, bleiben die Glockentürme in Esslingen und in den anderen Kirchen aber nicht stumm. Denn für jede Glocke, die zurückgegeben wird, wird eine neue gegossen – und diese neuen Glocken tragen Symbole des Friedens. Eine Taube, die an Noah und das Ende der Flut erinnert und daran, dass Gott mit den Menschen Frieden schließt. Ein Kranz mit zwölf Sternen, der auch für die Europäische Union steht. Wenn diese Glocken läuten, geht es um den Frieden. An dem wir hoffentlich ein Leben lang mitarbeiten, und den wir doch nicht aus eigener Kraft zustanden bringen.“

Mit den historischen Glocken kehrt jetzt ein vertrauter Klang in die polnische Heimat zurück. Ein Klang, der lange ausgeliehen war. Und jetzt Menschen, Gemeinden und Länder miteinander verbindet. Das ist ein hoffnungsvolles Zeichen in unruhigen Zeiten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37786
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