Anstöße sonn- und feiertags

Anstöße sonn- und feiertags

21MAI2023
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„Haben Sie Kinder?“ Früher habe ich gedacht, das lässt sich ganz leicht mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Entweder hat man doch Kinder oder eben nicht.

Aber mir begegnen auch immer wieder Menschen, die kommen bei dieser Frage ins Stocken und zögern. Weil die Antwort nicht ganz so einfach ist.

Ich denke zum Beispiel an Eltern, die ein Kind verloren haben. Und immer noch mit der Erinnerung leben, mit der Trauer und vielen anderen Gefühlen. Andere haben den Kontakt zu ihren Kindern verloren, innerlich oder vielleicht sogar komplett. Egal, welche Gründe das hat und von wem das ausging, – auch sie sind doch nach wie vor Eltern und haben Kinder.

Und umgekehrt gibt es ja viele Menschen, die keine leiblichen Kinder haben, aber trotzdem für andere Kinder da sind. Wer ein Kind adoptiert hat, zum Beispiel, ist sogar vor dem Gesetz Mutter oder Vater, ohne Einschränkung. Und zugleich bleibt da vielleicht ein alter Schmerz. Auch in Patchworkfamilien leben Menschen eng mit neuen Kindern zusammen. Pflegeeltern kümmern sich übergangsweise um Kinder, manchmal nur wenige Tage oder Wochen lang, manchmal für viele Jahre. Sie „haben“ Kinder, und müssen gleichzeitig mit dem Gefühl klarkommen, dass es nur auf Zeit sein könnte. Und dann sind da noch Menschen, die rein beruflich mit Kindern zu tun haben – und denen man eine Berufung dafür abspürt. Erzieher im Kindergarten zum Beispiel, oder Lehrerinnen, auch Ärztinnen oder Sachbearbeiter. Auch sie alle haben doch auf ihre Weise Kinder.

„Haben Sie Kinder?“ Heute glaube ich, dass es da viele Antworten dazwischen gibt. Weil das Leben ganz verschiedene Geschichten schreibt.

Die Antwort kann auch lauten: „Ja – ich habe ein Patenkind.“ Und ich kenne ganz viele Beispiele für tolle enge Beziehungen zwischen Paten und ihren Patenkindern. Auch eine ganz „normale“ Tante oder ein Großonkel können für Kinder wichtig sein – auch wenn sie vielleicht offiziell als „kinderlos“ gelten. In meiner Familie gibt es gleich mehrere solche Menschen.

Auch leiblichen Eltern sind ihre Kinder ja immer nur auf Zeit anvertraut. Deshalb finde ich es gut, dass ich nicht alleine für meine Kinder da bin.

Statt „Haben Sie Kinder?“ frage ich heute meistens lieber: „Welche Menschen gehören zu Ihnen?“ Und bin dann gespannt, ob auch Kinder genannt werden.

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