SWR1 Begegnungen
… und mit Erik Thouet. Er ist katholischer Diakon und bildet Männer für dieses Amt aus. Ich treffe ihn im Kloster Heiligkreuztal in Oberschwaben, da ist das Ausbildungszentrum der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Diakone werden wie Priester geweiht, aber: sie dürfen verheiratet sein und Familie haben. Und noch etwas ist besonders: Diakone sind Männer, die bereits einen anderen Beruf haben. Und nach der Ausbildung soll beides zusammenkommen. Die Arbeit im eigentlichen Beruf und das Dienen, für Gott und die Menschen, genau dort, bei der Arbeit. Denn Diakon heißt übersetzt „der Diener“. Wer Diakon werden will, braucht Durchhaltevermögen und muss sich vorher gut überlegen:
Kann ich mir das zumuten neben Familie und Beruf? Die meisten sind verheiratet, viele Männer haben auch mehrere Kinder
Diese Ausbildung dauert mindestens vier Jahre, nebenher, und wer ohne theologisches Vorwissen kommt, braucht sieben. Im aktuellen Jahrgang ist ein Rechtsanwalt dabei. Warum machen Männer wie er diese Ausbildung? Das wollte auch Erik Thouet wissen:
Sie haben eigentlich alles. Sie sind erfolgreich im Beruf, Sie haben eine nette Frau, Sie haben auch genug Geld, wahrscheinlich. Sie haben schöne Hobbys. Also warum wollen Sie jetzt unbedingt noch Diakon werden?
Manchmal lösen Krisen oder Krankheiten diesen Wunsch aus, erzählt mir Erik Thouet. Andere kommen bewegt und nachdenklich von einer Pilgerreise zurück.
Dann geht es, glaube ich, darum, dass die Männer suchen nach mehr Sinn, nach mehr Bedeutung in ihrem Leben. Und oft, so die Aussage: Ich habe so viel geschenkt gekriegt in meinem Leben und ich will das irgendwie zurückgeben.
So ist es nicht nur bei dem Rechtsanwalt. Im Kloster Heiligkreuztal kommen Männer mit ganz unterschiedlichen Berufen zusammen: Schreiner und Lehrer, Psychologen und Versicherungsberater, Ingenieure und Bäcker. Im Moment sind 24 Männer in der Ausbildung, die in den nächsten drei Jahren geweiht werden. Deutlich mehr als es neue Priester in dieser Zeit geben wird.
Diakone arbeiten in der Regel in ihren Berufen weiter; außerdem sind sie in der Kirchengemeinde engagiert: Sie feiern Gottesdienste, sie taufen und beerdigen oder assistieren beim Ehe-Versprechen. Vor allem aber sind sie ansprechbar.
Nicht nur in der Arbeitszeit, sondern da, wo wir leben. Da, wo wir unterwegs sind. Es kann im Supermarkt sein, es kann im Fußballverein sein, also wo auch immer. Es ist eine Frage der Haltung letztlich; also wie ich unterwegs bin.
Was genau meint Erik Thouet mit der Haltung? Worauf kommt es ihm in der Ausbildung an?
Von der Haltung her finde ich es ganz wichtig auszustrahlen: Sie stören uns nicht, sie dürfen uns stören! Da wünsche ich mir, dass wir so unterwegs sind: einladend, freundlich, normal, auf Augenhöhe. Ich mag das Wort nicht, weil es so inflationär benutzt wird, aber freundlich einfach. Ich glaube, dann passieren Wunder auch heute.
Erik Thouet ist seit 20 Jahren Diakon, seit zehn Jahren bildet er als Beauftragter des Bischofs Diakone für die katholische Kirche aus. Am kommenden Wochenende werden fünf Männer in der Diözese Rottenburg-Stuttgart geweiht. Erik Thouet ist es wichtig, dass dieses Amt mit einer Weihe verbunden ist.
Man wird ja nicht geweiht, um persönlich irgendwie veredelt zu werden oder sich besser zu fühlen. Das wäre ein völliges Missverständnis, sondern es geht eher darum, noch furchtloser, noch konkreter sich in Situationen hineinzutrauen, wo man vielleicht sonst davonlaufen würde.
Solche Situationen hat er schon erlebt. Er sollte einen jungen Mann beerdigen, der sich das Leben genommen hatte. Auf dem Friedhof haben hunderte Menschen gestanden, die auf ihn geschaut und gewartet haben.
Und dass einem in so einem Moment dann die Worte kommen, sozusagen von selber. Oder dass man auch keine Angst mehr hat, sondern einfach spürt: Ich bin getragen in dem Moment. Also das wäre so ein Beispiel, wo ich sagen würde, die Weihe ist eine Art von Zurüstung, von Stärkung, von Zuspruch. Man könnte einfach sagen: Also Christus ist wirklich mit dabei in dem Moment.
Diakone gab es schon in der Ur-Kirche. Und damals gab es auch das Amt der Diakonin. Während Männer jetzt seit gut 50 Jahren in Deutschland wieder geweiht werden, warten die Frauen noch immer auf eine Entscheidung aus Rom. Was denkt Erik Thouet darüber?
Ob's kommt, wann es kommt, ist eine offene Frage. Aber natürlich sind Frauen auch berufen. Und natürlich sind wir mit Frauen und Männern im Gespräch über diese Fragen, natürlich.
Könnte er in Heiligkreuztal auch Frauen ausbilden? Seine Antwort ist kurz, aber eindeutig:
Natürlich, wir hätten den Boden bereitet.
Seit Erik Thouet Diakone ausbildet, arbeitet er nicht mehr in seinem ursprünglichen Beruf als Heilerziehungspfleger. Der Vater von fünf Kindern ist jetzt Vollzeit-Diakon. Damit er als Mann der Kirche auch für Menschen erkennbar ist, die nichts über ihn wissen, trägt er ein Kreuz. Nicht als Kette, sondern als Tattoo am Handgelenk. Und das, was er damit beabsichtigt, funktioniert:
Die Leute sprechen einen an auf das. Was ist das? Warum haben sie das gemacht? Und schon ist man im Gespräch und kann ganz tief miteinander über wichtige Dinge sich austauschen.
Für ihn selbst bedeutet das Kreuz auf dem Unterarm aber noch mehr:
Ich finde diese Stelle wunderbar und dass es genau auf dem Puls ist. Mir hilft es manchmal in Situationen. Ich halte mich da auch manchmal dran fest, mit meinem Daumen.
Erik Thouet hält nicht nur fest an seinem Glauben, er hält auch fest an der Kirche. Trotzdem vieles nicht gut läuft. Denn gerade jetzt sei der Dienst des Diakons wichtig, sagt er, das Dienen.
Bleiben ist jetzt angesagt. Bleiben und treu sein. Es gab vielleicht schon länger keine Zeit mehr, wo es wichtiger war, eben nicht von Bord zu gehen. Zu bleiben, bei den Menschen zu bleiben und bei Gott zu bleiben. Auch in dieser Kirche zu bleiben.
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