SWR3 Gedanken

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04MAI2023
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Theodor Kalymon wurde nur 20 Jahre alt. Balthasar Kirchberger immerhin 49. Und Auguste Hägele war so alt wie ich, als sie starb, 52. Ihre Namen hat lange Zeit kein Mensch mehr gekannt. Denn Theodro Kalymon, Balthasar Kirchberger, Auguste Hägele und unzählige andere bekamen als verstorbene Häftlinge oder Hingerichtete der NS-Zeit kein Grab. Ihre Körper wurden nach ihrem Tod der Anatomie in Tübingen überstellt. Und so haben Generationen von jungen Erwachsenen mithilfe ihrer präparierten Organe Medizin studiert.

Inzwischen sind diese Präparate aussortiert. Sie wurden schon vor ein paar Jahren würdevoll bestattet. Und: eine Gruppe von Studierenden hat die Hintergründe dazu erforscht. Etliche Personen haben so ihren Namen und ihre Geschichte wieder bekommen.

In Tübingen hat jetzt eine Ausstellung eröffnet, um die Ergebnisse zu präsentieren. Wer den Ausstellungsraum betritt, wird von wehenden langen weißen Laken empfangen. Leichentücher, auf denen nun mit Tinte ein Name geschrieben ist. Zum Beispiel der von Augusta Hägele oder Theodor Kalymon. Wer möchte, kann die Namen nachsticken. Eine besonders eindrückliche Aktion.

Mich beeindruckt diese späte Würdigung der beinahe vergessenen Toten. Und ich denke dabei an einen Satz aus dem Prophetenbuch Jesaja. Da sagt Gott: „Fürchte dich nicht. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein.“ Das hoffe ich. Ich hoffe, dass dieser Zuspruch auch allen Menschen gilt, deren Würde den Menschen damals nichts galt.

Ich hoffe, dass Gott keinen einzigen Namen vergisst.
Ich hoffe, dass die Namen von Theodor Kalymon, Balthasar Kirchberger, Auguste Hägele und all den anderen nicht nur auf Leichentücher gestickt sind, sondern im Himmel geschrieben sind.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37571
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