Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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24APR2023
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Kennen Sie Herrn Tur Tur? Herr Tur Tur ist eine Figur aus Jim Knopf, dem berühmten Kinderbuch von Michael Ende. Als Kind konnte ich stundenlang vor dem Kassettenrekorder hocken und mir die Abenteuer der Helden von der Insel Lummerland anhören. Aber das Buch ist auch etwas für Erwachsene, finde ich. Wegen Herrn Tur Tur zum Beispiel. Der ist nämlich ein Scheinriese. Das heißt, eigentlich ist er ein ganz normaler, etwas schüchterner und sehr freundlicher Mann.

Das besondere an Herrn Tur Tur ist aber: Je weiter man von ihm weg ist, desto größer erscheint er. Als Jim und und sein Freund Lukas, der Lokomotivführer, Herrn Tur Tur das erste Mal von Weitem sehen, sieht er riesig aus – und Jim bekommt Angst. Aber Lukas macht Jim Mut, näher heranzugehen „Wenn man Angst hat, sieht meistens alles viel schlimmer aus, als es in Wirklichkeit ist,“ erklärt er dem Jungen. Und tatsächlich – als sie dem Riesen näherkommen, wird er langsam kleiner. Und als er vor den beiden steht, ist er sogar einen Kopf kleiner als Lukas.

Die Geschichte finde ich immer noch genial. Nicht nur für Kinder. Im Gegenteil, ich habe sogar den Eindruck: Je älter man wird, umso mehr neigt man dazu, sich schon im Voraus Sorgen zu machen über alles Mögliche. Egal, ob das ein klärendes Gespräch ist, das man endlich mal führen sollte nach einem Streit. Oder eine unangenehme Untersuchung beim Arzt, die man immer wieder aufschiebt. Oder auch ein großes Familienfest, das zu organisieren ist. Oft ist es so: Je länger man aus der Distanz darüber nachdenkt, desto größer scheint das Problem.

Wenn man dann aber endlich anfängt, es wirklich anzugehen, dann zeigt sich immer wieder: Das Problem ist bloß ein Scheinriese. Aus der Nähe betrachtet ist die Sache eigentlich überschaubar. Und die Menschen, mit denen man dabei zu tun hat, sind auch keine Ungeheuer. Sondern manchmal ganz freundlich und sogar hilfsbereit. Wie Herr Tur Tur, der Scheinriese.

Für mich heißt das: Besser nicht versuchen, alles vorher bis ins kleinste Detail zu durchdenken. Jedes mögliche Problem bläht sich sonst auf. Und alles, was schief gehen könnte unterwegs, wächst an zu einem „Scheinriesen“. Das wusste auch schon Jesus. Er hat deshalb dazu ermutigt, Gottvertrauen zu haben – und nicht zu sehr im Voraus zu grübeln: „Macht euch keine Sorgen um den kommenden Tag“, hat Jesus gesagt, „der wird schon für sich selber sorgen. Es reicht, dass jeder Tag seine eigenen Schwierigkeiten hat.“

Es geht also darum, das zu tun, was heute dran ist. Aus der Nähe betrachtet wird dann klar, was wirklich schwierig ist. Und was eben nur ein Scheinriesenproblem war. Denn, wie Lukas der Lokomotivführer sagt: „Wenn man Angst hat, sieht meistens alles viel schlimmer aus als es in Wirklichkeit ist.“

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