Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

27APR2023
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Morgens beim Frühstück. Eigentlich eine gute Gelegenheit, ruhig zu werden und sich auf den Tag zu konzentrieren. Was steht an? Was ist heute wichtig? Worauf freue ich mich? Eine kurze Unterbrechung: Einen Moment Ruhe finden, das wäre schön. Wäre da nicht... meine Unruhe. Wie ein ausgehungerter Tiger auf der Suche nach Nahrung durchstreift sie meinen Körper und versetzt Blutdruck und Puls in Aufregung.


Die Unruhe bändigen. Aber wie? Das hab ich mich oft gefragt.
Jeden Mittwochmorgen versuche ich es als Hochschulseelsorgerin mit Studierenden zusammen bei der Morgenandacht. Morgens um acht Uhr die normale Routine unterbrechen. Die gewohnte Umgebung verlassen:  Wir sitzen im Andachtsraum der Kirche im Halbkreis. In der Mitte brennt eine Kerze. Ein einfaches Lied, ein Gebet, ein Bibelwort, ein Gong, dann Stille. Danach zünden wir Teelichter an und sprechen Wünsche und Gebete aus für den Tag.
Nach der Andacht frühstücken wir zusammen. Ein Student sagt: „Endlich mal Stille! Nichts sagen, nichts hören, nichts tun. Nur die Stille klingt. Das tut so gut!“Und eine Studentin erzählt: „Am Anfang explodierte die Stille fast in mir, so laut ist sie gewesen. Gedanken, Gefühle und Bilder sind auf mich eingestürzt. Ich habe versucht, ruhig zu atmen. Aber es hat gedauert, bis ich mich beruhigt habe. Ich habe sowas noch nie gemacht. Aber es tut gut, allen Stress und die laute Hektik des Alltags mal für eine Weile zu unterbrechen!“

Der katholische Theologe Johann Baptist Metz hat dazu folgenden Satz geschrieben: „Die kürzeste Definition von Religion ist die Unterbrechung!“

Unterbrechung von Hektik und Alltagsstress. Unterbrechung von Leistungsdruck und Dauer-Erreichbarkeit. Zur Ruhe kommen, tief durchatmen, still werden. Alles, was stresst und schmerzt, freut und ängstigt vor Gott bringen.

Ich wünsche Ihnen und mir, dass wir heute einen Moment Ruhe finden und Hektik unterbrechen können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37501
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