Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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22APR2023
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„Ich bin nicht krankenversichert.“ Wer das zugeben muss, der hat schlechte Karten. Schlimmer noch: Das ist lebensgefährlich. Solche Fälle dürfte es in Deutschland eigentlich gar nicht geben. Denn seit 2009 gibt es eine Versicherungspflicht. Und doch sind viele Menschen, nicht nur Obdachlose, nicht oder nur unzureichend krankenversichert. Es dürften insgesamt mehr als 800.000 sein! Wenn sie richtig krank werden, dann ist guter Rat teuer. Viele verzweifeln dann, weil es für sie keine Hilfe gibt.

Das hat Dr. Uwe Denker keine Ruhe gelassen. Er ist Facharzt für Kinder - und Allgemeinmedizin in Bad Seegeberg. Als er in den Ruhestand ging, hat er sich weiter als Arzt engagiert - für diejenigen, die der Krankheit schutzlos ausgeliefert sind. Für sie gründete er die bundesweit erste „Praxis ohne Grenzen“. Seine Sprechstunde ist für viele die letzte Hoffnung. Dr. Denker untersucht und behandelt sie kostenlos. Und er gibt ihnen die nötigen Medikamente, die er aus Spendengeldern kauft. Im Schnitt für 2.000 Euro im Monat. Wenn nötig, bezahlt er auch eine Krankenhausrechnung. Zum Beispiel, wenn jemand als Krankenversicherung nur einen Notlagentarif hat. Das bedeutet: Wer dann etwa mit Verdacht auf Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert wird und glücklicherweise doch keinen hatte, der wird selbst zur Kasse gebeten!

Der Großteil derer, die in die Praxis kommen, sind alleinerziehende Mütter, Menschen mit Migrationshintergrund - und gestrandete Mittelständler und Selbständige, die die hohen Beiträge zu ihrer Privatversicherung nicht mehr zahlen konnten. Sie alle sind aus unserem Gesundheitssystem herausgefallen oder waren nie drin - und das ist wirklich lebensgefährlich. Deshalb behandelt Dr. Denker sie nicht nur unentgeltlich, sondern setzt sich auch politisch für sie ein. In Berlin versucht er, dem Menschenrecht auf Gesundheit Geltung zu verschaffen. Er fordert u.a. eine Grundversicherung mit bezahlbaren Beiträgen für alle.

Gut, dass es Menschen wie Dr. Denker gibt. Gut, dass sein Beispiel Schule gemacht hat und dass es inzwischen eine Reihe solcher Praxen gibt. Menschen, die die Bedürftigen und Schwächsten im Blick haben, die sind ein Schatz für unsere Gesellschaft.

 

 

Für die Ansprache stütze ich mich auf den Artikel „Nicht krankenversichert zu sein ist lebensgefährlich“ von Andrea Hösch in „Sozialcourage. Das Magazin für soziales Handeln.“ (www.sozialcourage.de), hg. vom Deutschen Caritasverband, Freiburg, Ausgabe Frühling 2023, S. 22-23.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37453
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