SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

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02APR2023
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Sie haben ihm den roten Teppich ausgerollt. Genau das, was man heute macht, wenn ein Star zu Besuch kommt. Jesus war zu seiner Zeit so ein Star. Er war der berühmte Wanderprediger und Wunderheiler aus Nazareth. Und die Menschen haben ihn euphorisch empfangen, als er nach Jerusalem gekommen ist: Der rote Teppich von damals waren ihre Kleider und große grüne Palmzweige, die sie auf der Straße ausgebreitet hatten. Die sollten ihren Helden vor dem staubigen Boden schützen und ihm zeigen, dass er für sie etwas Besonderes ist. Seine Jünger haben Jesus dann wie Bodyguards den Weg durch die Menschenmenge gebahnt, denn es waren sehr viele gekommen, um ihm zuzujubeln.

Heute, am Palmsonntag, erinnern Christen auf der ganzen Welt an dieses Ereignis. An vielen Orten gibt es Prozessionen mit Palm- oder anderen Zweigen. Der Palmsonntag ist der Beginn der Karwoche. Diese Woche vor Ostern wird auch als Heilige Woche bezeichnet und in der orthodoxen Kirche wird sie als „Große Woche“ gefeiert. Weil in dieser Woche alles passiert, weil sie erzählt, wie das Leben ist - von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt.

Diese Heilige Woche beginnt etwas skurril. Der rote Teppich ist ausgerollt und dann kommt der von allen herbeigesehnte König, der neue Herrscher auf einem Esel dahergeritten. Auf diesem Tier der einfachen Leute. Ohne Krone und ohne Zepter. Ein Herrscher nach damaligem Verständnis wäre hoch zu Ross auf einem Pferd in die Stadt eingezogen.

Dass Jesus auf einem Esel einreitet, das war kein Zufall. Das war schon rund 500 Jahre vor diesem Tag klar: Der Prophet Sacharja hatte es im Alten Testament vorausgesagt: „Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König wird zu dir kommen: Gerecht und ein Retter ist er, demütig und auf einem Esel reitend.“ Die Erwartungen an Jesus als neuen König waren hoch: die Leute hofften, dass er die Gewaltherrschaft der Römer beendet, dass er Frieden bringt. Und zwar sofort.

Diese Erwartung hat Jesus enttäuscht. Und deswegen haben viele, die ihm beim Einzug nach Jerusalem noch zugejubelt hatten, wenige Tage später gerufen: „Kreuzige ihn“.

Die Leute hatten Jesus‘ Idee für den Weg zum Frieden nicht wirklich ernst genommen. Sein Weg war der an der Seite der Armen, ohne Gewalt; seine Waffen waren Liebe und Gerechtigkeit.

Sie hatten den Arme-Leute-Esel zwar gesehen, aber den roten Teppich hatten sie für das königliche Schlachtross ausgerollt. Und das konnte nicht gut gehen.

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