SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

26MRZ2023
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Musik 1 festliches Bläser-Vorspiel (Gloria Brass)

Das Lied zum Sonntag führt uns heute zu einem Geburtstagsfest. Wir sind im sächsischen Städtchen Herrnhut, das in der Nähe von Zittau liegt. Gefeiert wurde dort, vor etwa 250 Jahren, der 36. Geburtstag einer Lehrerin. Sie heißt Christine Petersen. Und sie ahnt nicht, dass eines der Geschenke, die sie erhält, die Zeiten überdauern wird. Ihre Freundin Henriette Louise von Heyn hat nämlich eigens für diesen Tag ein Lied verfasst. Es heißt „Weil ich Jesu Schäflein bin“.  Bestimmt haben sie es auch gleich gesungen, als das Geschenk überreicht wurde.

Musik 2 Strophe 1 und 2 – Schola Cantorum Neustadt und Johannes Götz (Orgel)

Weil ich Jesu Schäflein bin,
freu ich mich nur immerhin
über meinen guten Hirten,
der mich wohl weiß zu bewirten,
der mich liebet, der mich kennt
und bei meinem Namen nennt.

Unter seinem sanften Stab
geh ich ein und aus und hab
unaussprechlich süße Weide,
dass ich keinen Mangel leide;
und so oft ich durstig bin,
führt er mich zum Brunnquell hin.

Diese Musik spricht mich emotional sehr an und sie weckt Erinnerungen in mir. Ich meine mich zu erinnern, dass im Schlafzimmer meiner Tante ein großes, in Gold gerahmtes Bild vom Guten Hirten hing. Auf dem Gemälde trägt er ein Schaf, das sich verirrt hat, auf den Schultern wieder nach Hause. Aber ich ringe und hadere auch mit diesem Hirten-Bild. Ein willenloses Schaf will ich eigentlich nicht sein. Deshalb brauche ich auch andere, jazzige Klänge zu diesem idyllischen Lied von „Jesu Schäflein“, zum Beispiel mit Saxophon.

Musik 3 Improvisation zum Lied mit Götz Ertle (Saxophon) und Johannes Götz (Orgel)

Das biblische Bild vom Hirten mit seinen Schäflein kommt mir vor wie ein Thema in zwei „Tonarten“. Die eine Tonart ist idyllisch und pastoral, mit der „süßen Weide“ und der frischen Quelle. Die andere „Tonart“ aber ist schrill und dissonant, weil es leider nicht nur gute Hirten gibt. Schon der biblische Prophet Ezechiel kritisiert scharf die Hirten, die nur noch sich selber weiden. Er kündigt ihnen das Vertrauen auf, wenn er im Namen Gottes ausruft: „Nun gehe ich gegen die Hirten vor und fordere meine Schafe von ihnen zurück. Ich setze sie ab, sie sollen nicht mehr die Hirten meiner Herde sein.“ Das kommt mir in den Sinn, wenn ich höre, wie manche „Hirten“ zu Straftätern an ihren Schutzbefohlenen geworden sind. Auch mich macht das fassungslos und ohnmächtig.

Aber all das Finstere bringt mich nicht von diesem alten Lied weg, sondern eigentlich noch viel näher zu ihm hin! Mit seinen überschwänglichen, ganz harmonischen Bildern sagt das Lied, worauf es ankommt: Auf Jesus, den Guten Hirten. Bei der letzten Strophe hat die Dichterin Henriette Louise von Heyn vielleicht daran gedacht, wie sie Schulkinder im Lesen und Schreiben unterrichtet. Deshalb wählt sie ganz einfache Worte. Auch ich habe diese Strophe vor einiger Zeit mit Kindern bei der Erstkommunion gesungen. Da heißt es: „Denn nach diesen schönen Tagen werd ich endlich heimgetragen in des Hirten Arm und Schoß“ – ein starkes Bild für die Hoffnung, die mich trägt und die ich mir nicht nehmen lassen will, auch nicht von schlechten menschlichen Hirten.

Musik 4 Strophe 3 – Schola Cantorum Neustadt und Johannes Götz (Orgel)

Sollt ich denn nicht fröhlich sein,
ich beglücktes Schäfelein?
Denn nach diesen schönen Tagen
werd ich endlich heimgetragen
in des Hirten Arm und Schoß.
Amen, ja, mein Glück ist groß!

 

Quellen:

Autoren
Text: Henriette Louise von Heyn (1778), Melodie: Christian Gregor (1755)

Musikquellen
Musik 1: ARD-Archiv [BR]MR043770109; „Weil ich Jesu Schäflein bin“ (Arrangement von Walther Haffner) mit „Gloria Brass“ (Leitung: Dieter Wendel);

Musik 2–4: „Weil ich Jesu Schäflein bin“ mit Johannes Götz (Orgel und Leitung), Götz Ertle (Saxophon) und Schola Cantorum Neustadt/Schwarzwald, aus der CD „Der Herr ist mein Hirte. Der 23. Psalm in Wort und Ton“, Label Edition Benziger, Zürich und Düsseldorf 1999, LC 01393

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37340
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