SWR4 Sonntagsgedanken

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05MRZ2023
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Eine junge Frau hat mir mal gesagt: „Ich werde meinen Kindern sagen, dass 40 Grad im Sommer angenehm kühl waren.“ Als Stadtjugendpfarrer arbeite ich mit Menschen um die 20. Und immer wieder sagen sie: „Wir haben Angst vor der Zukunft.“ Mit einer Gruppe Jugendlicher war ich in Sinsheim in der Klimaarena. Das ist ein Museum über die Veränderungen des Klimas und unsere Chancen, mit diesen umzugehen.

Eine Aktion zum Mitmachen im Museum ist es, eine möglichst ökologische Stadt zu entwerfen. Damit sie möglichst lange bewohnbar bleibt. Wie könnte so eine Stadt der Zukunft aussehen? Da sind junge und innovative Ideen gefragt. Und die Begeisterung der Jugendlichen hat mir deutlich gemacht: Ich, 36 Jahre alt, muss schon sorgsam mit dieser Welt umgehen. Wer heute 18 ist, geht auf eine ganz andere Zukunft zu als ich es gegangen bin.

Es ist auch meine Verantwortung, dass die junge Frau, sich später mal nicht über angenehme 40 Grad Celsius freuen muss. Und die Jugendlichen um mich herum erinnern mich fast wöchentlich diese unbequeme Wahrheit. Und als Christ ist mir auch voll bewusst, dass diese Erde ein Geschenk ist, um das ich mich kümmern möchte.

Dass es dauerhaften Erinnerungen für unbequeme Wahrheiten bedarf, weiß schon Jesus. Einmal erzählt er ein wahrhaft dramatisches Gleichnis: „Ein reicher Mann kauft sich einen Weinberg. Pächter bestellen und bewirtschaften ihn. Sie tragen nun die Verantwortung, und der Reiche zieht weit weg. Zur Zeit der Ernte, will der Reiche seinen rechtmäßigen Anteil haben und schickt einen Knecht zu den Pächtern. Aber anstatt ihrer Verantwortung gerecht zu werden, verprügeln die Pächter den Sklaven und jagen ihn davon. Der Reiche schickt einen zweiten. Der wird verprügelt. Der Dritte wird sogar erschlagen. Noch vielen Sklaven ergeht es so. Am Ende schickt der Reiche seinen Sohn. Auch der stirbt. Schließlich geht der Reiche und tötet alle Pächter. Und gibt den Weinberg an andere Pächter weiter.“ (Markus 12, 1 – 12)

Die Zuhörer von Jesus aus der Jerusalemer Oberschicht haben damals gemerkt: Er meint uns. Wir sind unserer Verantwortung für den Weinberg nicht gerecht geworden.

Und heute merke ich, dass die Kritik von Jesus immer noch aktuell ist. Für mich sind wir die Pächter. Und die, die zu uns geschickt werden und die uns an unsere Verantwortung erinnern, das sind zum Beispiel die jungen Menschen, mit denen ich arbeite. Klar: Dieses Bild hat Grenzen. Klar auch: So blutig wie in dieser Geschichte muss es nicht zugehen bei uns. Aber auch klar: Wenn ich auf dieser Welt leben darf, dann so, dass ich meiner Verantwortung gerecht werde.

Ich finde, dieses Gleichnis passt gut in unsere Tage. Die Frage nach Nachhaltigkeit, veganer Ernährung und Generationengerechtigkeit kann ich hier nicht beantworten. Aber Jesus macht doch deutlich: der Weinberg, unsere Welt, gehört uns nicht.

Ein Reicher Mann verpachtet seinen Weinberg und zieht in die Ferne. Die Pächter nutzen das aus und schalten und walten nach eigenem Interesse. Die Boten des Besitzers bringen sie deshalb sogar um. Und am Ende einer brutalen Gewaltspirale kommen sie selbst auch ums Leben.  Für mich ist das eine Erzählung, die noch heute aktuell ist.

Es stellt sich nämlich die Frage: Wem gehört eigentlich die Welt, auf der ich gerade lebe? Aus der biblischen Geschichte heraus ist die Antwort: Diese Welt gehört Gott. Sie ist kein Zufallsprodukt, sondern so gestaltet, dass sie bewohnbar ist.

Mit Jesu Gleichnis im Kopf stellt sich dann die nächste Frage: wie merken wir Menschen uns das? Oft genug benehmen wir uns ja, als könnten wir machen, was wir wollen. Jesus erzählt von Boten, die geschickt werden. Die rufen den Pächtern die unangenehme Wahrheit in Erinnerung, dass der Weinbergsbesitzer seinen Anteil verlangt. In meiner Deutung für heute: Er verlangt, dass wir mit seiner Welt so umgehen, dass er sich noch lange an ihr freut.

Die Boten, von denen Jesus erzählt können heute viele verschiedene Gesichter haben. Es können Erwachsene sein, Wissenschaftler oder Politikerinnen und Politiker. Es sind aber auch Jugendliche, Kinder und Babys. Unsere Rolle ist es, diese Botinnen und Boten anzuhören. Sie ernst zu nehmen. Denn sie werde uns, ob sie es wissen oder nicht, von Gott geschickt, der die aktuellen Pächter ermahnt: Lebt so, dass für Euch und für mich ein Anteil der Erde zum Leben bleibt.

Aus christlich-biblischer Perspektive ist jede Erinnerung – auch wenn sie irritieren mag – erstmal eine gute Erinnerung. Weil sie von Gott kommt. Und mit dem drastischen Gleichnis macht Jesus deutlich, wie dringlich es ist, Gott nicht zu vergessen. Wie wir mit unserer Welt umgehen, das hat Konsequenzen. Nicht nur Menschen gegenüber. Auch Gott gegenüber. Wer ihn als Erdenbesitzer vergisst, vergisst die Menschheit selbst.

Die junge Frau, von der ich am Anfang erzählt habe, ist mittlerweile in einen kirchlichen Ausschuss zur Bewahrung der Schöpfung angetreten. Ihr Begründung: „Ich mach da jetzt Druck.“ Ich wünsche ihr und mir, dass ihre Erinnerung auf offene Ohren stößt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37210
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