SWR4 Abendgedanken

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03MRZ2023
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„Welcher Fastentyp bist Du?“ Diese Frage kommt mir auf einer Seite im Internet entgegen. Und verweist mich dann auf eine Box mit gefriergetrockneten Suppenzutaten und süßen Riegeln für ziemlich viel Geld. Ich schließe die Seite. Doch die Frage bringt mich zum Nachdenken. Welcher Fastentyp bin ich? Das Thema Fasten schiebe ich nämlich gerne ein wenig von mir weg. Weil ich es mit „verzichten“ verbinde. Ich möchte gar nicht darüber nachdenken, was ich in den Wochen zwischen Aschermittwoch und Ostern weglassen kann. Ich finde: das Leben ist herausfordernd, und manchmal kostet es mich ganz schön Kraft, alles gut hinzubekommen: Job, Kinder, Familie, Haushalt, Ehrenamt. Warum soll ich wochenlang zusätzlich noch auf etwas verzichten und mich damit quälen?

Der eigentliche Sinn des Fastens in vielen Weltreligion ist: sein Leben neu auf Gott ausrichten. Also: Gewohnheiten zu hinterfragen und dann gegebenenfalls zu ändern. Das kann gelingen, indem ich zum Beispiel auf etwas verzichte. Weil ich dann merke, was mir fehlt und was nicht. Wovon ich abhängig bin. Es gibt aber auch einen anderen Blick auf das Thema Fasten. Den finde ich bei Hildegard von Bingen.

Die berühmte Ordensfrau und Heilige hat im 12. Jahrhundert gelebt. Sie hat erkannt, wie Vieles miteinander zusammenhängt: Körper, Seele und Geist, Ernährung und Gesundheit. In ihren Schriften finden sich auch Hinweise zum Fasten. Was mir dabei auffällt: Hildegard von Bingen schreibt an keiner Stelle, dass Fasten etwas mit Entbehrung zu tun haben muss. Oder gar mit asketischem Hungern. Hildegard hat grundsätzlich alles abgelehnt, was in die Richtung geht: Wenn ich leide, wenn ich mich aufopfere, dann komme ich näher zu Gott. Sondern ganz im Gegenteil: Für Hildegard war Gott einer, der barmherzig ist und die Menschen liebt; und der ihnen deshalb nichts abverlangen kann, was sie quält. Fasten hat Hildegard von Bingen als Gesundheitsmaßnahme verstanden. Körper und Geist sollen sich erholen.

Hildegard hat keine Koch- oder Backrezepte aufgeschrieben. Aber sie hat herausgefunden, was den Menschen guttut. Speisen aus Dinkel beispielsweise oder alte Gewürzpflanzen wie Quendel und Bertram. Hildegards Verständnis vom Fasten motiviert mich. Deshalb will ich in den kommenden Wochen ganz bewusst auf Körper und Geist achtgeben. Mit gesunden Zutaten kochen und mir dafür auch Zeit nehmen. Was mir auch gefällt: Hildegard hat für ihre Schwestern im Kloster einst eine tägliche Regenerationszeit eingeführt. Damit auch der Geist zur Ruhe kommt. Für mich bedeutet das: mit gutem Gewissen in der Fastenzeit regelmäßig ein Mittagsschläfchen zu halten. Somit ist meine Antwort auf die Frage: „Welcher Fastentyp bist Du?“ ganz klar: Ich bin ein Hildegard-Fasten-Typ.

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