SWR3 Gedanken

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08FEB2023
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„Du bist ja nur neidisch!“ Hat mir einmal eine Freundin vorgeworfen. Und ich erinnere mich, wie gekränkt ich damals gewesen bin. Mir Neid vorzuwerfen, das war wirklich das Schlimmste, was ich mir vorstellen konnte. Neid geht gar nicht. Da sind sich die meisten Menschen einig. Eine ganz und gar unbeliebte Emotion ist das. In der Katholischen Kirche ist Neid sogar eine Todsünde und in der Bibel steht an einer Stelle: „Denn wo Neid und Streit ist, da sind Unordnung und lauter böse Dinge.“ (Jak 3,16)

Nach dem Vorwurf meiner Freundin, habe ich mich intensiver mit diesem Gefühl auseinandergesetzt. Und mir ist bewusst geworden: sie hatte recht. Ich war neidisch auf sie gewesen. Und dann ist mir aufgefallen: Neid begleitet mich bereits mein ganzes Leben.

Schon als Kind, war ich auf meine kleine Schwester neidisch, bei der stets alles zu gelingen schien. Die, nie echte Sorgen in der Schule hatte. Die immer bei den Jungs beliebt gewesen ist. Damals hab´ ich ihr das nicht gegönnt. Immer habe ich mich mit ihr verglichen. Ich war wahrlich keine nette Schwester und habe immer wieder Gelegenheiten gesucht ihr eins auszuwischen oder sie bloß zustellen. Destruktiven Neid nennt man das. Das ist die Art von Neid, die zerstörerisch und ungut ist. Doch in der Zwischenzeit bin ich ja erwachsen geworden. Neid ist zwar geblieben, aber hat sich gewandelt. Ich kann mittlerweile zugeben, dass auch ich gerne hätte, was meine Schwester hat: Eine intakte Beziehung, eine Familie und fantastische Beine, um nur ein paar der Sachen zu nennen. Aber weil ich meine Schwester liebe, gönne ich ihr das alles.

Liebe ist quasi das erste Rezept gegen destruktiven Neid. Das andere ist, sich bewusst zu machen, welche Sehnsüchte hinter meinem Neid stecken und welche Wunden ich wohl noch aufzuarbeiten habe. Außerdem hilft es mir, wenn ich mit anderen darüber rede. „Bist Du auch neidisch auf dieses oder jenes?“ - schnell fällt mir auf: Neid ist ein ganz normales Gefühl. Wir müssen nur immer wieder lernen mit diesem Gefühl umzugehen. Damit wir niemandem schaden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37035
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