Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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05JAN2023
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Zwei Menschen liegen im Krankenhaus. Der eine muss Tag und Nacht liegen, darf sich auf keinen Fall aufrichten. Der andere muss auch viel liegen, darf sich aber wenigstens einmal am Tag für eine Stunde aufsetzen. Er nutzt diese Zeit und sieht aus dem Fenster.

Die beiden Zimmergenossen erzählen einander ihr Leben, ihre Liebe und ihr Leid. Und einmal am Tag erzählt der Eine dem Anderen, was er draußen vor dem Fenster sieht. Er berichtet von Blumen und Wolken, Menschen und Landschaft. So wird er zum Hoffnungsträger für den anderen. Diese Beschreibungen der Aussicht aus dem Fenster geben ihm Kraft und Mut. Er sieht durch die Augen des anderen eine Welt, die lebenswert und erstrebenswert ist, für die es sich lohnt zu leben. Als es ihm endlich besser geht darf auch er sich aufrichten. Und da erkennt er: aus dem Fenster sieht man nur die nächste Wand. Im ersten Augenblick ist er bitter enttäuscht. Aber mit der Zeit kann er sie plötzlich auch sehen, die fröhlichen Menschen, die blühenden Frühlingsblumen und die Sonne, die durch die Wolken bricht. Und er erkennt: Sein Zimmernachbar hat ihm zwar nicht den Blick aus dem Fenster beschrieben, aber von seiner Hoffnung erzählt.  

Diese Geschichte rührt mich immer von Herzen und ich denke an die Hoffnung die mich trägt: dass Gott eines Tages alle Tränen abwischen wird und es eine Zukunft gibt in der die Gewalt endet und alle Menschen ihr Auskommen haben. Diese Hoffnungsbilder, sie richten mich auf und heilen mich.

Einander zu Hoffnungsträgern werden gerade in Zeiten der Krise, in Zeiten, in denen man am Boden liegt, sich kaum rühren kann. Das sehe ich als Aufgabe von Christinnen und Christen in dieser Welt. –

Dazu gehört zu sagen, was alles nicht gut ist, sonst nimmt man die Krisen nicht ernst. Aber auch die biblischen Hoffnungsbilder nicht zu vergessen und der Hoffnung auf eine bessere Welt immer wieder Gehör zu verschaffen. Selbst dann, wenn man sie noch nicht sieht. Denn es ist noch nicht das Ende. Das Ende ist in Gottes Hand und es wird gut!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36812
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