Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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16DEZ2022
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Mir ist vor ein paar Jahren kurz vor Weihnachten ein Missgeschick passiert.

Es war eben diese stressige Zeit Mitte Dezember, und ich bin im Auto unterwegs. In einer engen Durchgangsstraße gibt es auf einmal ein hässliches Geräusch. „Oh je“, denke ich, „das war ein Außenspiegel.“ Ich schau zurück und sehe: Der Spiegel eines VW-Busses ist ziemlich ramponiert. Zerknirscht parke ich und klingle auf gut Glück am nächstbesten Haus. Auf dem Klingelschild steht „Haug“. Eine resolute Dame öffnet mir. Ich will anfangen zu reden, da sagt Frau Haug: „Kommen Sie erst mal rein, das ist nichts für die Haustür.“ An ihrem Küchentisch schreibe ich eine Nachricht für den Besitzer. Als ich sie bitte, dass sie ihm meine Nachricht gibt, meint sie: „Worauf Sie sich verlassen können! Und jetzt fahren Sie vorsichtig nach Hause, und nächstes Mal passen Sie besser auf!“

Jedes Jahr kurz vor Weihnachten denke ich an Frau Haug. Wie sie mir eingebläut hat, dass ich gefälligst aufzupassen habe. Ihre Autorität hatte was. Sie war streng mit mir und hat sich dabei so engagiert für ihren Nachbarn eingesetzt. Das war stark, und das erinnert mich an den Weihnachtsfrieden. Denn der ist nicht lasch, das ist eine drängende Forderung. Auf den Frieden hab ich gefälligst aufzupassen!

Jetzt noch mal zurück zur Geschichte mit dem Außenspiegel. Da kommt es noch besser. Am Morgen von Heiligabend ruft mich der Besitzer des VW-Busses an. Herr Behr. Er erklärt mir: „Sie brauchen sich gar nicht zu entschuldigen. Der Spiegel war schon lange kaputt. Da sind schon so viele Autos dran hängen geblieben. Aber Sie sind die Erste, die eine Nachricht hinterlassen hat. Also danke Ihnen.“

Ich bin sprachlos. Dass Herr Behr so ehrlich zu mir war, war großzügig von ihm, und mit seinem Anruf hat er mir eine Riesenfreude gemacht. Ich war so erleichtert und konnte dann mit leichterem Herzen Weihnachten feiern. Herr Behr hat mir mit seiner weichen und friedfertigen Art gezeigt, wie sich der Weihnachtsfrieden auch anfühlen kann. Dass er einen auch überraschend erreichen kann, so völlig unverdient. 

Frau Haug und Herr Behr haben mich auf zweierlei Weise erleben lassen, was das heißen kann: „Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“ „Friede auf Erden“ – das ist eine starke Forderung, so resolut und bestimmend wie bei Frau Haug. Und wenn ich dieses „Frieden auf Erden“ an mich selbst heranlasse, kann es sich auch großzügig und liebevoll anfühlen, so wie bei Herrn Behr.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36699
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