SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

27NOV2022
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Als ich ein Kind war,  habe ich gerne gebadet. Der schönste Moment war immer, die kalten Hände in das heiße Badewasser zu versenken. Und dann zu spüren, wie die Wärme des Wassers meinen ganzen Körper durchströmt. Herrlich war das. Und im Hochsommer war’s dann umgekehrt: herrlich der Sprung im Freibad ins kalte Wasser zur Abkühlung. Heiß oder kalt also! Abkühlen oder Aufwärmen. Bloß lauwarm darf das Wasser auf keinen Fall sein.  

Wer sitzt schon gerne in einer lauwarmen Badewanne?
Von lauwarmem Wasser ist heute am 1. Advent in vielen evangelischen Gottesdiensten die Rede. Die Vorbereitungszeit auf Weihnachten beginnt heute. Und dazu gehört auch, dass wir Christen uns fragen, wie es eigentlich um den eigenen Glauben bestellt ist.  Die Frage ist: Lasse ich mich wirklich von meinem Glauben leiten? Brenne ich für die Sache? Oder ist mein christlich motiviertes Handeln vielleicht nur lauwarm? Und gar nicht so heiß, wie ich denke?

Diese Frage stellt Gott schon den allerersten Christen. Und seine Beurteilung ist hart. Im letzten Buch der Bibel, in der Offenbarung, lässt er den ersten christlichen Gemeinden ausrichten:  „Ach, Du bist lauwarm in Glaubensfragen. Wärst Du doch heiß, oder wenigstens kalt. Damit ich erkennen würde, was Du bist. Aber Du bist lau. An dem, was Du tust, kann ich nicht erkennen, ob Du mir, Gott, vertraust oder nicht.“

Das sind schon ziemlich harte Worte, die da fallen. Da wird man einfach so zum Mittelmaß gestempelt. Aber wenn ich mit mir selbst ehrlich bin merke ich: Das trifft auch auf mich zu…

Das Schicksal von Kriegsflüchtlingen zum Beispiel lässt mich sicher nicht kalt . Ich halte es auch für richtig , ukrainische Flüchtlinge aufzunehmen. Aber meine eigene Wohnung habe ich nicht zur Verfügung gestellt. Ich bin dafür, dass Menschen, die auf der Straße leben, Almosen bekommen. Aber dann werfe ich mein Kleingeld doch nur bei Straßenmusikanten in die Mütze, weil die es sich verdienen.  Theoretisch will ich gerne meine Feinde lieben und dann denke ich über sie … na, jedenfalls denk ich nichts Nettes über sie. Offensichtlich ähnelt mein christliches Engagement auch einer ziemlich lauwarmen Badewanne.

Allerdings scheint mir das auch erstmal ganz normal zu sein. Dem Vorbild von Jesus Christus wirklich zu folgen, ist fast unmöglich. Jesus selbst hat für die Sache Gottes wirklich gebrannt .  Alle anderen waren und sind wohl mehr oder weniger lau. Sich das eizugestehen ist nicht leicht, aber es ist sehr heilsam!

Die wirkliche Gefahr ist, zu denken: ich bin wie eine Wanne voll heißen Wassers der Christlichkeit. Genau an dem Punkt lautet heute die biblische Botschaft: Halt mal ein Thermometer hin und kontrolliere Dich. Und wenn Dein Glaube abkühlt, dann sieh zu, dass Du heißes Wasser nachlaufen lässt!

Und es zeigt sich dann vielleicht, dass ich zwar die richtigen Absichten habe, ihnen aber nicht konsequent folge. Zum  Beispiel im Umweltschutz bei der Energiewende. Ich bin zwar  für Grüne Energie, aber Windräder oder Stromtrassen sollen lieber ein paar Kilometer weiter im Hinterhof der Nachbarn stehen. Das heißt lauwarm: Das Richtige wollen. Aber möglichst ohne selbst die Konsequenzen zu tragen.

Ich kritisiere das – auch an mir selbst. Und ich halte es gleichzeitig für zutiefst menschlich. Und als Christ muss ich mir das eingestehen! Muss mir die Kritik Gottes aus der Bibel anhören: „Ach, Du bist lauwarm in Glaubensfragen. Wärst Du doch heiß, oder wenigstens kalt. Da mit ich erkennen würde, was Du bist. Aber Du bist lau. An dem, was Du tust, kann ich nicht erkennen, ob Du mir, Gott, vertraust oder nicht.“

Ich glaube, dass die Einsicht, lauwarm zu sein der halbe Weg ist, um im Glauben wieder heißer zu brennen. Sie lenkt den Blick zurück auf Gott. Und der sagt: „Ja, du bist lauwarm, aber ich wärme Dich wieder auf.“ Und das halte ich für einen ganz entscheidenden Gedanken: Das heiße Wasser können wir nicht selbst produzieren. Aus lauwarm macht auch noch so viel Anstrengung nicht heiß. Das heiße Wasser kommt von außen. Und zwar genau dann, wenn wir merken: Oh, ich bin lau.

Dieser Gedanke zieht sich heute durch die Gottesdienste zum ersten Advent: Wir bereiten uns auf Weihnachten vor. Und dazu gehört eben auch, ehrlich mit sich selbst zu sein. Ja, wir Christen waren und sind alle mehr oder weniger lau. Aber bald kommt einer, der neue Wärme bringt. Noch  ist vieles dunkel in der Welt – aber die Kerze auf dem Adventskranz zeigt: Bald wird es hell. Es ist kalt – aber wie es bei „Leise rieselt der Schnee“ heißt: in den Herzens ist’s warm.

An der Geschichte dieses Menschen Jesus kann ich mich wärmen.  Ich kann meine Hände hineintauchen und spüren, wie seine Wärme meinen ganzen Körper durchströmt. Wie damals, als ich als Kind so gerne gebadet habe. Wenn das Wasser lauwarm wurde, hat meine Mutter warmes Wasser nachlaufen lassen, weil ich gerufen habe: Es wird lau. Und wenn heute mein Glaube und meine Zuversicht lauwarm werden, dann ist es Gott, der mich neu brennen lässt, wenn ich sage: ich werde lau...  

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36549
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