Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

08NOV2022
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Neulich hab ich im Garten gearbeitet. Es war ein milder sonniger Tag. Ich habe rund um unseren kleinen Teich das Unkraut ausgerissen. Plötzlich habe ich gemerkt, dass meine Unterarme zu jucken anfingen. Sie waren übersät mit roten Punkten. Ich habe meine Arme meinem Sohn gezeigt. „Kuck mal, wie ich ausseh.“ Und was hat er geantwortet: „Und? Was soll ich da jetzt machen?“ Ich war halb entrüstet, halb amüsiert. Ehrlich gesagt hätte ich in dem Moment mehr Mitgefühl erwartet. Nach ein paar Stunden war vom Ausschlag nichts mehr zu sehen. Doch unser Wortwechsel ging mir nicht mehr aus dem Kopf.

Wie reagiere ich, wenn ich Not sehe oder wenn andere mir ihr Leid klagen? Geh ich darauf ein? Zeige ich Anteilnahme? Bei mir war es ja eine harmlose Sache, doch immer wieder treffe ich auf Menschen, die sind wirklich arg gebeutelt und haben einen großen Leidensdruck. Von Jesus wird in der Bibel gleich mehrfach erzählt, wie er reagiert hat. In der altertümlichen Bibelsprache steht dann immer „es jammerte ihn“. Doch was da wortwörtlich gemeint ist, ist: Jesus hat in dem Moment so intensiv mitgefühlt, dass er es selbst körperlich gespürt hat. Denn das Wort, dass da im Originaltext steht, heißt „Eingeweide“.

Das Leid hat ihn bis ins Innere getroffen. Das ist mehr als Mitleid. Jesus hat sich selbst immer ganz in die Begegnung reingegeben. Ich würde das gerne auch so machen, doch es gelingt mir nicht immer. Manchmal aus Hilflosigkeit, weil mir nicht klar ist, was ich tun soll, manchmal aber auch, weil mir die Not zu nahe geht und mir alles zu viel wird. In meinem Inneren weiß ich, dass Jesus mit seiner Liebe und seinem Mitgefühl bei mir ist und ich nicht allein dastehe. Ich weiß, dass ich ihn bitten kann, mir in der Situation das zu schenken, was ich von ihm brauche. Doch: was braucht mein Gegenüber: Es braucht oftmals einfach jemanden, der ehrlich interessiert ist und sich die Zeit nimmt, zuzuhören. Und es muss mir nicht immer gleich eine kluge Antwort einfallen. Manchmal sage ich dann: „ich bete für dich.“ Damals, am Gartenteich, hätte es mir schon gereicht, wenn mein Sohn gesagt hätte: „Oh, das sieht aber nicht gut aus“ Irgendetwas in der Art. Einfach, dass ich weiß, es hört mir jemand zu.

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