Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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31OKT2022
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„Hier stehe ich und kann nicht anders.“ Der Satz wird Martin Luther zugeschrieben. Ob er ihn wirklich so gesagt hat, weiß man nicht. Auf jeden Fall fasst er zusammen wie Martin Luther seinen Widerstand ausdrücken wollte. Er hat vor mehr als 500 Jahren gegen die katholische Kirche protestiert, weil sie die Menschen klein gemacht und ausgenutzt hat. Der Tenor der Kirche war damals: “Gottes Liebe müsst ihr euch erkaufen. Für die Vergebung eurer Sünden müsst ihr bezahlen. Dann könnt ihr der Hölle entkommen.“ Das hat Martin Luther empört. Er war Theologieprofessor in Wittenberg, hat die lateinische Sprache verstanden und deshalb auch, was in der Bibel wirklich stand. Er hat erkannt: Die Botschaft der katholischen Kirche hat mit der Botschaft Jesu nichts zu tun. Seine Kritik hat er in den berühmt gewordenen 95 Thesen aufgeschrieben. Am 31. Oktober 1517 soll er diese Thesen eigenhändig an die Kirchentür von Wittenberg genagelt haben.

Vor zwei Jahren bin ich selbst vor dieser Tür gestanden. Und habe in Wittenberg viele Spuren von Luthers Protest gefunden. An diesem historischen Ort ist mir sehr bewusst geworden, was damals eigentlich passiert ist. Martin Luther war klug und mutig. Er hat gesagt, was er durch sein Studium gelernt hat; wovon er überzeugt war; was er falsch gefunden hat. Und er hat die Konsequenzen auf sich genommen: Ausschluss aus der Kirche, weggesperrt auf der Wartburg. Ohne zu wissen, ob sein Protest wirken wird.

Ich verdanke Martin Luther, dass ich an einen Gott glauben kann, der mich annimmt, wie ich bin. Für den ich keine Leistungen vollbringen muss, um geliebt zu sein.

Seit ich vor der Tür in Wittenberg gestanden bin, an die er seinen Protest genagelt hat, bin ich bewusst dankbar für Luthers Mut. Dafür, dass er sich gewehrt hat, weil Menschen von der Kirchenleitung unterdrückt und klein gemacht worden sind.

„Hier stehe ich und kann nicht anders“- vielen die heute aufstehen in der katholischen Kirche, zum Beispiel für die Gleichberechtigung von Frauen, für Reformen in der Sexualmoral und anderes, wird es ähnlich gehen. Keiner kann sagen, wie und wann Protest wirkt. Aber der Mut zum Widerstand hat einen Wert an sich. Weil er sichtbar macht, was sich zum Wohl von Menschen verändern muss. Daran erinnert uns der Reformationstag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36430
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