SWR2 Wort zum Tag

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02NOV2022
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„Du meine Seele singe, wohlauf und singe schön!“ Mit wem rede ich da eigentlich, wenn ich dieses schöne Lied singe? Ja - Was ist eigentlich die Seele? An dieser Frage haben sich Theologen und Philosophen seit Jahrtausenden abgearbeitet. Ist die Seele irgendein unzerstörbarer Teil im Menschen? Gibt es überhaupt eine wirkliche Trennung von Seele und Leib? Ist die Seele sterblich wie der Leib oder lebt sie weiter und ist so gefährdet, dass die Lebenden für die Seele der Toten Sorge tragen müssen? Ziemlich viele Fragen an einem Mittwochmorgen, die kaum in wenigen Minuten zu klären sind. Doch da dieser Tag im katholischen Festkalender „Allerseelen“ heißt lohnt sich ein Blick auf unsere Seele. In der Bibel finden sich vielfältige Aussagen zu dem, was die Seele ist. Gemeinsam ist allen, dass es keine Trennung zwischen Leib und Seele gibt. Was modernen Psychosomatikern inzwischen völlig selbstverständlich ist, das wussten die biblischen Autoren schon lange sehr genau: Was den menschlichen Körper betrifft, betrifft auch seine Seele und umgekehrt. Der Mensch ist Leib und Seele, insofern hat der Mensch strenggenommen keine Seele, er ist Seele. Diese Seele kann lieben und durstig sein, verschmachten und hoffen, verzweifelt sein und außer sich vor Freude. Wie eng Leib und Seele miteinander verbunden sind, können wir erleben, wenn wir kleine Kinder beobachten. Sie sind ganz bei der Sache. Wenn sie traurig sind, dann bebt der ganze kleine Mensch und weint, und wenn sie fröhlich sind, dann jauchzt es aus ihnen mit einer Intensität, die einfach ansteckend ist. So lehren uns Kinder auch eine wichtige Dimension von Seele: Sie ist auf Beziehung aus. Wir Menschen sind Beziehungswesen, und unsere Seelen brauchen andere Seelen, um leben zu können. Aus christlicher Perspektive sehnt sich die Seele auch nach Gott, so wie sich Gott nach dem Menschen sehnt, dem er erst seinen Lebensatem eingehaucht hat. Christen vertrauen dann darauf, dass Leib und Seele auch nach dem Tod in Gottes Hand geborgen sind. Die Rede von der leiblichen Auferstehung in der Theologie verweist dabei darauf, dass auch nach dem Tod die Verbindung von Leib und Seele nicht aufgespalten wird. Ein komplizierter theologischer Gedanke, ich persönlich überlasse es gerne Gott, wie er nach meinem Tod die Angelegenheit mit meiner Seele regeln wird.

Bis dahin möchte ich mit meinem Leib und meiner Seele aber gut umgehen. Leider kann ich nicht mehr so unbefangen jubeln wie ein ganz kleiner Mensch, aber doch in Bewegung kommen, beim Tanzen, beim Beten, beim Lieben und Danken, ja, und auch in der Trauer um Menschen, zu denen ich in Beziehung war und die gestorben sind. Und vor allem: In der Musik, beim Singen, da spüre ich sie und rede ihr gut zu: Du, meine Seele singe, wohlauf und singe schön!

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