Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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08OKT2022
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Ich sitze im Restaurant, es ist ein schöner Abend, und das Essen ist lecker. Da höre ich, wie ein Mann am Nachbartisch sich lauthals beschwert: „Das Rumpsteak können Sie behalten. Das will ich jetzt auch nicht mehr.“ Darauf der Kellner: „Ich biete Ihnen einen Drink auf Kosten des Hauses dazu an.“. Aber der Mann schimpft und schimpft. Er will keinen Drink. Er hat wohl geschlagene zwei Stunden auf sein Essen gewartet.

Der freundliche Kellner muss er schlucken und sagt: „Es tut mir wirklich sehr leid. Das ist richtig schiefgelaufen. Ich kann Sie nur von Herzen um Entschuldigung bitten.“ Der ältere Herr legt daraufhin nochmal richtig los. Der Kellner wiederholt ruhig: „An Ihrer Stelle würde ich mich auch ärgern. Es tut mir so leid. Da ist irgendwo in unserem Team ein Fehler passiert. Ich nehm das jetzt auf meine Kappe. So etwas darf nicht passieren, aber es ist leider passiert.“

Langsam beruhigt sich der Gast und hört mit seinem Gezeter auf. Dann legt er einen Geldschein für die Getränke auf den Tisch und steht auf. Der Kellner spricht ihn ein letztes Mal an und sagt: „Kommen Sie noch mal wieder und geben Sie uns eine Chance. Ich versuche dann auf jeden Fall, alles richtig zu machen.“ Und was dann passiert, überrascht mich: Der Mann sagt zu, und er legt dem Kellner die Hand auf die Schulter. Der ältere Herr wirkt auf einmal wie versöhnt.

Mich hat das beeindruckt, wie der Kellner sich verhalten hat. Er war unglaublich geduldig. Er hat nichts gerechtfertigt und konnte sich die Wut des Gastes anhören und sie zulassen. Er hat nichts schöngeredet, sondern sich alles angehört und dem Mann gezeigt, dass er ihn versteht. Das ist anstrengend! So hat dieser ruhige Kellner eine Situation gerettet, die eigentlich kaum zu retten war. Es freut mich, dass er am Ende sogar ein Stück Anerkennung von dem Gast bekommen hat.

Es gibt so viele, die sich mächtig Ärger anhören müssen, obwohl sie selbst gar nichts dafür können. Polizistinnen zum Beispiel, Zugbegleiter oder Angestellte in den Behörden. Da sind viele, die sich meist voll reinhängen, aber denen am Schluss dann doch die Hände gebunden sind.

Wer es da schafft, noch respektvoll und ruhig zu bleiben, der kriegt heute Morgen meinen ganzen Respekt.

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