SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

16MAI2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Huh – neulich habe ich mich so richtig geärgert. Zuerst habe ich einen Notizzettel gesucht und nicht gefunden – und ich musste einfach los. Dann musste ich nochmal umdrehen, weil ich mein Handy hab liegen lassen. Und am Ende stand ich vor verschlossener Tür, weil mein Schlüssel gerade im Auto meiner Frau irgendwo unterwegs war.

Wie kann man nur so ungeschickt und unorganisiert sein? Was habe ich mich geärgert – und in dem Moment ist mir aufgefallen, dass dieser Ausdruck: „Ich ärgere mich“ total richtig ist. Ich ärgere MICH - über mich selbst. Kein anderer ist schuld. Es hat mich niemand beleidigt und es war auch sonst niemand anderes beteiligt. Nur ich war schuld, war mal wieder zu unorganisiert. Zu unordentlich und zu unpünktlich. Als ich mir das so überlegt habe, da ist mir noch etwas aufgefallen, und zwar dass ich mich viel öfter über mich ärgere, als über andere. Warum eigentlich?

Ich glaube, dass ich von mir selber sehr viel erwarte. Ich wäre gerne pünktlich, ordentlich, gut drauf und bestens organisiert. Ich würde mich gerne selbst ändern. Ich käme mit mir selbst besser klar und wäre mit mir mehr im Reinen. Aber dann merke ich immer wieder: Ich kriege es einfach nicht hin – und das ärgert mich dann.

„Liebe deinen Mitmenschen, wie dich selbst.“  Dieser Satz von Jesus ist mir in dem Zusammenhang eingefallen. Jesus war wichtig, dass das zusammenhängt. Wie ich mit anderen Menschen umgehe und wie ich mit mir selber umgehe. Das heißt für mich: Wenn jemand anderes unpünktlich ist oder keinen Schlüssel dabeihat, dann versuche ich zu helfen und sage: „Ach, das ist doch kein Problem“. Genau deshalb sollte ich mich auch über mich selbst nicht ärgern, wenn das mir mal wieder passiert.

Ich meine: klar, wenn jemand anderes ständig unpünktlich ist und ich deshalb warten muss, dann ärgert mich das auch. Und mir geht es auch nicht darum, einfach mit den Schultern zu zucken und zu sagen: es ist alles egal. Ich möchte ja pünktlich und aufgeräumt sein. Mir geht es darum, dass ich trotz allem Anspruch ein bisschen gnädiger mit mir selber sein möchte – egal in welcher Situation. Niemand ist perfekt - ich nicht, und die anderen auch nicht. Ich denke, das wollte Jesus sagen mit seinem Satz: „Liebe deinen Mitmenschen, wie dich selbst.“ So zeigen wir nämlich auch unsere Liebe zu Gott. Wenn wir liebevoll miteinander umgehen – anstatt uns ständig zu ärgern.

Vielleicht schaffe ich es ja, dass ich beim nächsten Mal dran denke: Liebe deinen Mitmenschen, wie dich selbst. Und heute fange ich bei mir an.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35417
weiterlesen...