SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

05APR2022
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Das Klagegeschrei der Klageweiber klingt noch heute in mir nach… Als Studentin habe ich in einem griechischen Restaurant gearbeitet. Plötzlich ist mein damaliger Chef an einem Herzinfarkt gestorben. Alle Angestellten nahmen an der griechisch-orthodoxen Beisetzung teil – inklusive einiger Klageweiber.

Ich hatte so etwas noch nie erlebt. Weder eine griechisch-orthodoxe Trauerfeier noch das Auftreten von Klageweibern. Es war eindrücklich, irritierend und zugleich faszinierend. Diese Frauen standen um den Sarg herum und haben lautstark gejammert. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass sie stellvertretend für die große Trauergemeinde Leid geklagt haben. Und Klageweiber tun das seit Jahrtausenden, schon zur Zeit der Bibel. Schon damals wurden Klagefrauen geholt, wenn niemand mehr die richtigen Worte fand, wenn alle sprachlos waren.

Jeremia, ein Prophet aus dem Alten Testament fand keine Worte mehr angesichts der Ungerechtigkeiten und Missständen der damaligen Zeit. Für ihn war das nur noch zum Weinen. Darum holte er Klagefrauen – ob sie den richtigen Ton fanden? Tatsächlich, sie stellen sich dem Leid der Welt und wenden sich an den einzigen, der helfen kann: an Gott. Und Gott hilft seinem Volk. Er handelt anders als ich es erwartet hätte: Er kommt mit Güte, Recht und Gerechtigkeit. Auf diese Weise zeigt er den Menschen einen Schimmer von seiner neuen Welt: Er versöhnt, bleibt seinem Volk treu. Durch alle Jahrhunderte und Krisen hindurch. Er verlässt es nicht, obwohl er manchmal allen Grund dazu hätte.

Mir zeigt die Erzählung des Propheten Jeremia, dass Gott einen anderen Maßstab setzt. Er liebt die Menschen so sehr, dass er verzeiht. Er macht ihnen Mut und schenkt ihnen eine neue Chance.

Für mich heißt das: Gott steht mir bei, wenn ich mal keine Worte finde... Wenn mir die Krisen der Welt zu viel werden. Dann kann ich all das Gott im Gebet klagen. Ich rede mit ihm und werfe ihm all mein Leid vor die Füße. Dabei merke ich, wie ich alles ein wenig sortiere. Meine Gedanken loslasse. Nach so einem Gebet geht es mir oft besser. Manchmal spreche ich dann auch noch mit anderen darüber – so werden mir neue Perspektiven geschenkt. Auf diese Weise verändert Gott mein Denken und inspiriert mich, ihm nachzueifern.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35170
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