Christvesper

Christvesper

Ich freue mich mit Ihnen zusammen nun auf eine halbe Stunde Besinnung. Auf wunderbare Weihnachtsmusik von Ella Fitzgerald, dem SWR-Vokalensemble oder den Pentatonix. Auf die Weihnachtsbotschaft aus dem Lukasevangelium –stimmungsvoll vorgetragen von Elisabeth Verhoeven. Und wenn Sie möchten auch darauf mit Ihnen gemeinsam am Radio zu beten – an diesem zweiten  Heiligen Abend im Ausnahmezustand! Noch immer ist Pandemie und wir können Weihnachten nicht so feiern, wie wir es gewohnt sind. Aber Weihnachten fällt deswegen nicht aus. Denn auch Gott kam in einem Ausnahmezustand zur Welt. Und will gerade jetzt bei uns sein. Jesus Christus hat einmal gesagt: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ (Mt 18,20) Darauf dürfen wir vertrauen und uns mit Gott verbunden fühlen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Weihnachtsstimmung, so geht es mir, die stellt sich in diesem von Katastrophen geprägten Jahr nicht so einfach ein. Schon fast zwei Jahre Pandemie, die an den Nerven zehrt. Und im Sommer die verheerende Flutkatastrophe im Ahrtal. Mit einem Seelsorger, der seit Tag eins dort unterwegs ist, habe ich vor kurzem gesprochen. Er sagte einen auf den ersten Blick überraschenden Satz: „Es war im Ahrtal noch nie mehr Adventsstimmung als in diesem Jahr.“ Aber damit meinte er nicht Weihnachtsmärkte, Lichterglanz oder Glühweinlaune. Nein, er meinte die eigentliche Bedeutung des Advents. Er begründete es damit, dass das Sehnen  und Hoffen auf etwas noch nie so groß war wie in diesem Jahr. Und ich glaube das gilt nicht nur für die Menschen im Ahrtal, die alles verloren haben. Es gilt auch für die  Menschen, die den heutigen Abend einsam verbringen müssen. Für die Menschen, die sich für andere auf den Intensivstationen aufreiben. Sie alle  warten und hoffen auf eine bessere Zukunft und auf einen Gott, der jetzt mit ihnen diese Situation aushält. Auf einen „Immanuel“, was übersetzt bedeutet: „Gott mit uns“. Diesen Namen gibt Gott sich im Matthäusevangelium nicht zufällig (Mt 1,24). Das ist sein Programm! Und deshalb bitten wir jetzt mit der Sängerin Kelly Clarkson genau darum: Dass Gott nun mit allen ist, die einen Heiligen Abend im Ausnahmezustand verbringen: „O komm, o komm Immanuel“, komm in unsere von Krisen geschüttelte Welt. Sei ein „Gott mit uns“.                                                                              

Musik: Oh Come, Oh Come Emmanuel- Kelly Carkson                                                   

„Immanuel“ – ein „Gott mit uns“, das drückt sich aus in seinem Namen. Das drückt sich aber auch in der Art und Weise aus, wie Gott zur Welt kommt. In einem hilflosen und verletzlichen Kind. Ohne eigenes Dach über dem Kopf, in einem stinkenden Stall. Und durch das „Ja“ einer Frau, die sich auf Gottes Plan einlässt, obwohl sie überhaupt nicht versteht, was er da vorhat. Maria. Ihre Ängste und ihre Sorgen, die schmerzen wie Dornen. Die belasten. Und ich glaube, dieses Gefühl von Angst und Sorge nach zwei Jahren Pandemie und nachdem wir die Folgen des Klimawandels in diesem Jahr auch vor der eigenen Haustür erlebt haben – die können zu einem inneren Dornwald werden, der in uns wuchert, uns reizt und nervös macht. Dornen, die uns in den erschöpften Gliedern stecken. Und trotzdem oder gerade deshalb feiere ich heute Abend eine stille Hoffnung: Die Hoffnung, dass wir in diesem Dornwald  auf Gottes „Ja“ zu uns vertrauen dürfen. Darauf, dass er an unserer Seite mitgeht.  Und dann können wir uns vielleicht auch wie Maria wieder öffnen und neue Anfänge waren. Uns öffnen für Gottes Vision einer friedlicheren, nachhaltigeren und menschenfreundlicheren Welt, in der aus Dornen Rosen werden.                                                                                                                                                                                                               

Musik: Maria durch ein Dornwald ging

Zum Heiligen Abend gehört wie kein zweiter Text das Weihnachtsevangelium nach Lukas, das uns mitnimmt nach Bethlehem:

 

In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen. Dies geschah zum erstenmal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien. 

Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen.  So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids.  Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft,  und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war. In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde.  Da trat der Engel des Herrn zu ihnen, und der Glanz des Herrn umstrahlte sie.

Sie fürchteten sich sehr,  der Engel aber sagte zu ihnen:

Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude,       

die dem ganzen Volk zuteil werden soll:  Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.  Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.                                          

 

The first Noël  - Lady A                                                           

Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: 

Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.  

Als die Engel sie verlassen hatten und in den Himmel zurückgekehrt waren, sagten die Hirten zueinander: Kommt, wir gehen nach Betlehem, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr verkünden ließ.  So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. 

Als sie es sahen, erzählten sie, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war. 

Und alle, die es hörten, staunten über die Worte der Hirten.  

Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.  

Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für das, was sie gehört und gesehen hatten;

denn alles war so gewesen, wie es ihnen gesagt worden war. 

(Lk 2,1-20)                                                                                                      

O Holy Night –Ella Fitzgerald   

In dieser Heiligen Nacht wollen wir gemeinsam beten zu jenem Gott, der in unsere Welt gekommen ist, auf der es so viele Krisen gibt. Und der uns auch in diesen Krisen nahe sein will:

Für alle, die an Corona erkrankt sind oder mit anderen Krankheiten kämpfen. Für alle, die in Isolation sitzen, die einsam sind und sich nach lieben Menschen sehnen. Für alle Pflegerinnen und Ärzte, die ausgelaugt und ausgebrannt um jedes Menschenleben kämpfen.

Für alle, die im Ahrtal ein Weihnachtsfest erleben, dass so anders ist als in den Jahren zuvor. Die einen geliebten Menschen vermissen. Die ihr Zuhause verloren haben und auf eine bessere Zukunft hoffen.

Für alle Menschen auf der Flucht. Die an den Grenzen Europas frieren, die aus Kriegen und Not ins gefährliche Mittelmeer aufbrechen. Die in menschenunwürdigen Lagern auf Lesbos und anderswo festsitzen. Für die Menschen in Afghanistan, die um ihr Leben und ihre Freiheit fürchten. Für die vielen Menschen in Ostafrika, die unter einer schrecklichen Hungerkatastrophe leiden.

Für uns alle, um Mut und Hoffnung in dieser anstrengenden Zeit der Pandemie. Um Geduld, Ausdauer und Zuversicht.

Diese und  alle unsere ganz privaten Anliegen und Bitten, das was uns im Herzen bewegt, das legen wir vor die Krippe, in der Gott selbst zur Welt kommt in dieser stillen und Heiligen Nacht.         

Stille Nacht-Vocalensemble Rastatt     

Zu Gott, unserem Retter, dürfen wir voll Vertrauen und Zuversicht beten mit den Worten, die er selbst uns geschenkt hat:

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.        

Joy To The World-Charlotte Church     

„Let every heart, prepare him room“ , so hat es die Sopranistin Charlotte Church gerade gesungen  – macht in euren Herzen für Jesus und seine Botschaft der Liebe Platz. Und dann wird sich die Freude auf dieser Welt mehr und mehr ausbreiten. Wenn wir es Jesus nachmachen und uns für eine bessere Welt einsetzen. Das ist die Antwort auf das große Geschenk der Liebe Gottes an jede und jeden von uns.

Das nun folgende Weihnachtslied „Little drummer boy“ erzählt  die Geschichte eines Kindes, das Jesus an der Krippe sein Trommelsolo schenken möchte. In der Version der Pentatonix, da hört sich dieses Trommeln an wie das Pochen eines Herzschlags. Ein Herz, das für mehr Gerechtigkeit und Frieden auf dieser Welt schlägt. Ich glaube immer dann ist Weihnachten: Wenn wir bedingungslos dem Rhythmus des Herzens folgen. Der Nächstenliebe, deren Trommelschlag die Kraft hat diese Welt zu verändern. Immer dann, wenn wir Gott suchen und ihn finden – im Gesicht unseres Nächsten.

Little Drummer Boy  - Pentatonix

Segen                                                                                                                        

Gott spricht auch zu mir: „Fürchte dich nicht!“ Er schenkt mir das Vertrauen in seine Liebe. Bei ihm darf ich Herberge finden. Durch ihn kann ich für andere zur Herberge werden. Ich bitte Gott: Segne uns und alle, die uns heute Abend am Herzen liegen.

Mit dem Lied „O du fröhliche“ geht die Christvesper am Heiligen Abend nun zu Ende. Am Mikrofon war Christopher Hoffmann von der katholischen Kirche. Ich wünsche Ihnen frohe und gesegnete Weihnachten! 

O du fröhliche                                                                                                           

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34537
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