SWR4 Feiertagsgedanken

SWR4 Feiertagsgedanken

01MAI2021
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Josef, der Arbeiter. An ihn erinnert die Kirche heute am Tag der Arbeit. Als Papst Franziskus letztes Jahr ein Schreiben zu seinen Ehren veröffentlicht hat, da meinte er, dass jene, die im Verborgenen oder in der zweiten Reihe stehen, in Wahrheit nicht selten eine Hauptrolle spielten. So wie der Heilige Josef eben. Seine Figur fehlt in keiner Weihnachtskrippe. Da steht er meist still neben der Krippe und betrachtet versunken das Neugeborene. Josef. Er war der irdische Vater von Jesus und der Ehemann der Maria. Der „Mutter Gottes“ also, wie fromme Menschen sie auch nennen. Josef, das ist aber auch der Mann, der nach der Erzählung der Bibel seine unehelich schwanger gewordene Verlobte nicht einfach fallen lässt, sondern ihr trotzdem und ohne große Worte die Treue hält. Und der, als es brenzlig für die kleine Familie wird, Mutter und Kind noch in der Nacht in Sicherheit bringt. Er ist aber auch der, der uns in der Bibel nur in diesen wenigen Kindheitsgeschichten Jesu begegnet und der dann aus dem Blickfeld verschwindet. Für die Verfasser der Bibel scheint er danach nicht mehr interessant gewesen zu sein. Das Einzige, was wir von ihm noch erfahren ist, dass er Zimmermann war. Ein Handwerker also, der Häuser gebaut. Und dieses Handwerk hat er wohl auch an seinen Sohn Jesus weitergegeben. Josef – einer von denen, die eher im Verborgenen stehen. Mit großem Herzen und kleiner Nebenrolle. Aber vielleicht gerade deshalb ein echter Sympathieträger.

Die katholische Kirche jedenfalls hat ihm gleich zwei Gedenktage spendiert. Den 19. März, an dem sein Fest eigentlich gefeiert wird, und eben diesen Tag heute, den 1. Mai. Als der damalige Papst diesen zweiten Josefstag 1955 einführte, da gab es die Maifeiern der Gewerkschaften und der Internationalen Arbeiterbewegung längst. Positiv könnte man deshalb sagen: Der Papst hat dem eher sozialistisch geprägten Maifeiertag so eine Art kirchlichen Segen gegeben. Mit Sozialismus und Kommunismus wollte man in der Kirche zwar nichts zu tun haben. Aber auch die Kirche hat sich schon damals für die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingesetzt. Dass es heute geregelte Arbeitszeiten, feste Ruhetage oder das Verbot von Kinderarbeit gibt, daran haben neben den Gewerkschaften auch die Kirchen ihren Anteil. Und die Figur des stillen Handwerkers Josef als Patron aller hart arbeitenden Menschen schien da offensichtlich ganz gut zu passen. Josef als Schutzpatron jener also, die den Laden durch ihre Arbeit am Laufen halten und dennoch in der Gesellschaft nur eine Nebenrolle spielen. Die ausgebeuteten und unterbezahlten Malocher unserer Zeit trifft man in den Industriebetrieben allerdings kaum noch an. Sie sind heute woanders zu finden. Bei Lieferdiensten, in Reinigungstrupps oder in den Schlachtfabriken halten sie den Laden am Laufen. Der Kampf um Arbeitnehmerrechte ist noch lange nicht vorbei. Sowenig wie der gegen weltweite Kinderarbeit.

 

MUSIK

Um den Heiligen Josef und den Wert, den die Arbeit für uns hat, darum geht es heute Morgen in den Feiertagsgedanken.

„Arbeit ist das halbe Leben.“ „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“ Sprüche rund um die Arbeit gibt es etliche. Eines machen alle diese Sätze klar: dass die Erwerbsarbeit ein entscheidender Teil unseres Lebens ist. Wir arbeiten, um Geld zum Leben zu haben. Um uns was leisten zu können. Aber wir arbeiten auch, weil es uns Freude macht und erfüllt. Weil wir uns im besten Fall in unserer Arbeit sogar selbst verwirklichen können. Und weil Arbeit zu haben auch heißt, eingebunden zu sein in ein größeres soziales Netz. Da gibt’s Kunden, Kolleginnen oder eben Zuhörer, wie hier im Radio. Wenn ich jemandem begegne, den ich nicht kenne, kommt irgendwann die Frage: Was machst du denn so? Was ist dein Job? Meine Arbeit sagt also auch was über mich aus. So wie sie damals in Nazareth Jesus kannten als den Sohn des Zimmermanns. Und ich bin mir sicher, dass nicht wenige sich über ihre Arbeit definieren. Durch das, was ich tue, fühle ich mich ja bestätigt, anerkannt, geachtet. Arbeit ist tatsächlich oft weit mehr als nur das halbe Leben. Und deshalb kann es so dramatisch sein, wenn sie plötzlich weg ist. Ich kenne Menschen, die in ein seelisches Loch gefallen sind, als sie ihren letzten Arbeitstag hinter sich hatten. Weil die Freude darüber, morgens nicht mehr so früh aufstehen zu müssen, schon bald einer Leere gewichen ist, die wieder gefüllt werden will. Und noch viel schlimmer ist es, die Arbeit und damit Anerkennung und Struktur zu verlieren. Millionen Menschen erleben das gerade, weltweit. Weil Geschäfte und Gastronomiebetriebe schließen müssen. Weil Künstler, Musiker und alle, die hinter den Kulissen für sie arbeiten, keine Arbeit mehr finden. Das macht nicht nur seelisch fix und fertig. Es ist existenzbedrohend.

In seinem Schreiben über den Heiligen Josef schreibt Papst Franziskus dazu: In dieser unserer Zeit, in der die … Arbeitslosigkeit manchmal drastische Ausmaße annimmt – auch in Ländern, in denen seit Jahrzehnten ein gewisser Wohlstand herrscht –, ist es notwendig, die Bedeutung einer Arbeit, die Würde verleiht, wieder ganz neu verstehen zu lernen. Würde, das ist das Stichwort. Jeder Mensch hat sie. Gleich, ob er krank oder gesund ist, arbeiten kann oder nicht. Doch wer mal einen Menschen getroffen hat, der nach jahrelanger Arbeitslosigkeit wieder Arbeit gefunden hat, wird oft noch etwas erleben: Arbeiten dürfen, gebraucht zu werden, für was auch immer, lässt diesen Menschen erstrahlen. Das Bewusstsein, nicht abhängig zu sein. Vielmehr das Leben selbst in der Hand zu haben. Auch dafür steht die Arbeit.

Josef, der stille Heilige aus der Weihnachtskrippe. Schutzpatron aller Menschen, die arbeiten. Weil er in einer Gesellschaft wie der unseren dafür steht, was Arbeit auch sein kann. Ausdruck der Würde, die uns Gott geschenkt hat.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33094
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